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Pakistanische Kehrtwenden

Afghanische Flüchtlinge im Visier der Behörden des südlichen Nachbarn

  • Emran Feroz
  • Lesedauer: 3 Min.

Während in diesen Tagen europäische Staaten, darunter auch Deutschland, Geflüchtete weiterhin nach Afghanistan abschieben, liegen am Hindukusch selbst in dieser Hinsicht die Probleme ganz woanders. Seit geraumer Zeit zieht es der Nachbarstaat Pakistan nämlich vor, afghanische Geflüchtete in ihre Heimat zurückschicken. Im Land, hauptsächlich in der Grenzprovinz Khyber Pakhtunkhwa, leben fast drei Millionen Afghanen. Viele von ihnen flüchteten bereits in den 80er Jahren, als der Krieg gegen die Sowjets tobte und zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den Großmächten ausartete.

Ein Beispiel hierfür ist etwa die Familie des 65-jährigen Zalmay. Vor über 35 Jahren flüchtete er mit seiner Ehefrau nach Peschawar, der Hauptstadt von Khyber Pakhtunkhwa. Seine sechs Kinder wurden allesamt dort geboren. Ihre afghanische Heimat kannte keiner von ihnen. Stattdessen wurde Pakistan zu ihrem neuen Zuhause. Doch seit 2016 lebt Zalmays Familie in Kabul. »Wir mussten weg, es gab keinen anderen Ausweg«, sagt der Familienvater. Zalmays ältere Söhne wurden mehrmals von der pakistanischen Polizei verhaftet und willkürlich ins Gefängnis geworfen. Freigelassen wurden sie erst, nachdem Zalmay 60 000 Pakistanische Rupien, rund 540 Euro, Schmiergeld zahlte und sie damit freikaufte. »So etwas passiert dort regelmäßig. Es gibt grundlose Verhaftungen. Man will damit erreichen, dass Menschen wie wir nach Afghanistan zurückkehren«, sagt er.

Von der pakistanischen Regierung werden die Afghanen als »Sicherheitsproblem« wahrgenommen. Der institutionelle Rassismus lässt sich schon bei unteren Beamten finden. Zalmays Söhne wurden im Gefängnis als »afghanische Terroristen« beschimpft.

Nach einem vor Kurzem stattgefundenen Drohnenangriff der CIA im Distrikt Kurram behauptete das pakistanische Militär etwa, dass »das Ziel« sich in einem afghanischen Flüchtlingslager versteckt gehalten habe. Ob dies den Fakten entspricht, lässt sich kaum sagen. Seit Beginn des »Krieges gegen den Terror« wurden in Pakistan zahlreiche Zivilisten durch US-Drohnen getötet. Der pakistanische Geheimdienst pflegt in dieser Hinsicht eine enge Zusammenarbeit mit der CIA.

Allein im vergangenen Jahr haben über 150 000 Afghanen Pakistan verlassen. Die Kabuler Regierung ist mit den Geflüchteten nicht überfordert. De facto werden sie von ihr kaum wahrgenommen. Die absolute Mehrzahl der Geflüchteten ist sich selbst überlassen und lebt zum Teil in heruntergekommenen Camps oder Behausungen, zum Beispiel am Stadtrand von Kabul. Hinzu kommt, dass in Afghanistan weiterhin Krieg herrscht. In den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres wurden laut UN über 8000 Zivilisten getötet oder verletzt. Ende Januar starben durch einen einzigen Taliban-Angriff in der Hauptstadt über hundert Menschen.

In Pakistan besitzen afghanische Geflüchtete nur einen begrenzten Aufenthaltsstatus, der bei vielen von den Behörden mehrfach aufgekündigt und im Anschluss wieder verlängert wurde. »Es ist unmöglich, dass all diese Millionen von Geflüchteten plötzlich das Land verlassen und zurückkehren. Wir haben das der pakistanischen Regierung gesagt«, meinte Baryali Miankhel, Vorsitzender einer Wohlfahrtsorganisation für afghanische Geflüchtete in Khyber Pakhtunkhwa gegenüber dem katarischen Sender Al Dschasira.

Mittlerweile hat die pakistanische Regierung angekündigt, den Aufenthaltsstatus der Geflüchteten um weitere fünf Monate zu verlängern. Als Hauptgrund wurde genannt, dass es »nicht menschlich sei, von einer Million Menschen zu verlangen, auf einmal zu gehen«. Unregistrierte Afghanen, die ebenfalls zahlreich in Pakistan vorhanden sind, betrifft dies allerdings dies nicht.

Das Vorgehen der pakistanischen Regierung gegenüber den afghanischen Geflüchteten wurde von UN-Flüchtlingshilfswerk in der Vergangenheit mehrfach kritisiert. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, dass mit den erlassenen Fristen - in diesem Fall fünf Monate - absichtlich ein Gefühl der Unsicherheit unter den Geflüchteten verbreitet werden soll.

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