Macron knickt auf Korsika nicht ein

Weder Autonomiestatus in Verfassung noch Amnestie

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Anlass des Besuchs, den Präsident Emmanuel Macron am Dienstag und Mittwoch der französischen Mittelmeerinsel Korsika abgestattet hat, war nicht der Sieg der Nationalisten bei der Regionalwahl im Dezember und die Forderung nach einem Dialog mit dem Staat auf Augenhöhe, die diese daraus ableiten, sondern der 20. Jahrestag der Ermordung des Präfekten Claude Érignac durch ein Kommando militanter Nationalisten. Bei der Einweihung eines nach ihm benannten Platzes in Ajaccio an der Stelle, wo der Präfekt als Symbolfigur des Staates von hinten erschossen wurde, erklärte die Witwe Dominique Érignac: »Im Gegensatz zu dem, was manche uns glauben machen wollen, ist diese blutgetränkte Seite der Geschichte noch nicht umgeschlagen.« Präsident Macron ging in seinen Gedenkworten noch weiter, indem er den Mord durch korsische Nationalisten mit den Anschlägen islamistischer Terroristen in Paris und Nizza 2015/16 verglich. »Was hier geschah, ist durch nichts zu rechtfertigen«, sagte er. »Die Justiz der Republik hat in Korsika gesprochen und dabei bleibt es, ohne Nachsicht und ohne Vergessen.« Durch diese Klarstellung nahm Macron noch vor seinem ersten Gespräch mit den Repräsentanten der Nationalisten, dem Präsidenten der Regionalversammlung Jean-Guy Talamoni, der den langfristig nach Unabhängigkeit strebenden Flügel vertritt, und dem Vorsitzenden der Exekutive der Insel Gilles Simeoni, der den Autonomie-Flügel vertritt, einen der wichtigsten Gesprächspunkte vorweg. Die Nationalisten fordern mittelfristig eine Amnestie aller von ihnen als »politische Häftlinge« bezeichneten Korsen, die wegen Terroranschlägen oder politischem Mord verurteilt und inhaftiert sind und zu denen auch Yvan Colonna, der Mörder des Präfekten Érignac, gehört. Nach dem zweistündigen Gespräch des Präsidenten mit den Nationalistenführern, über deren Inhalt nichts verlautete, hielt Macron zum Abschluss seines Besuchs am Mittwochnachmittag eine mit Spannung erwartete Rede. »Korsika ist im Innersten der Republik und muss seine Zukunft in der Republik gestalten, bei aller Respektierung korsischer Besonderheiten«, machte er deutlich. Eine Absage erteilte er den Forderungen nach Anerkennung von Korsisch als Amts- und Unterrichtssprache neben Französisch. Ebenso der Forderung nach einer »nationalen Priorität« für Korsen, zum Beispiel beim Kauf oder Bau von Immobilien oder nach der Überstellung korsischer Häftlinge in Gefängnisse auf der Insel und damit in die Nähe ihrer Verwandten. Als einzige Konzession erklärte sich Macron bereit, Korsika - wie von den Nationalisten gewünscht -, in der Verfassung zu erwähnen, aber um »seine Identität anzuerkennen und seine Verankerung in der Republik«. Im Anschluss brachte Talamoni seine »tiefe Enttäuschung und die vieler Korsen über diese provokatorische Rede« zum Ausdruck, und Simeoni sprach von einer »verpassten Gelegenheit«.

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