Ich valentine jetzt ...

Romantiker reisen nicht nur am 14. Februar nach Dublin. Dort arbeitet sich der zuständige Schutzpatron durch sein dickes Auftragsbuch.

  • Nicole Quint
  • Lesedauer: 5 Min.
Suchen kann man die Liebe überall. Die Chance, sie zu finden, soll sich jedoch an einem Ort erhöhen, an dem man sie nie vermutet hätte - in der Whitefriar Street Church in Dublin. In der kleinen Karmeliterkirche wimmelt es von Menschen. Lippen bewegen sich zu leisem Gebet, in den düsteren Nischen der Seitenaltäre flackern Kerzen, und Münzen fallen klimpernd in den Opferstock. In diesem Gotteshaus hat die Liebe ihre letzte Ruhestätte gefunden - der heilige Valentin persönlich.

Dass der Schutzpatron aller Liebenden und Blumenhändler ausgerechnet in Irland geendet ist, soll allerdings nicht großen Gefühlen, sondern geschickter Rhetorik zu verdanken sein. Weil der Karmelitermönch John Spratt sich nicht nur um Dublins Arme kümmerte, sondern auch noch predigen konnte wie kein Zweiter, belohnte Papst Gregor XVI. ihn mit einem Geschenk, das unter katholischen Klerikern damals hoch im Kurs stand: mit den Überbleibseln eines Heiligen, einer Reliquie erster Klasse also. Für Spratt war es die Asche und ein bisschen Blut des heiligen Valentins, der trotz des Verbots durch Kaiser Claudius II. Liebespaare nach christlichem Ritus getraut haben und dafür zur Strafe am 14. Februar 269 enthauptet wurde. Knapp 1600 Jahre später traf Valentins heilige Asche als Geschenk des Papstes in Dublin ein. Groß kann die Freude darüber allerdings nicht gewesen sein, denn die Reliquie landete im Lager der Whitefriar Street Church und geriet nach John Spratts Tod 1871 vollends in Vergessenheit.

Erst als die Kirche in den 1950er-Jahren renoviert wurde, entdeckte man sie wieder, baute ihr in einem Seitenaltar einen Schrein und stellte eine lebensgroße Statue von Valentin darauf. Die wacht inzwischen über ein schlichtes, aufgeschlagenes Ringbuch. »Danke, dass er zurückgekommen ist«, lautet der letzte Eintrag, hinter dem ein großer Smiley grinst. Förmlicher bleibt der vorherige Schreiber, der allerdings auch noch keinen Grund zur Freude hat: »Lieber Valentin, mach, dass meine Frau wieder fröhlich wird.« Seite um Seite haben Besucher der Kirche sich in diesem Buch mit ihren Wünschen, Hoffnungen und Ängsten an den kirchlichen Sachverständigen in Liebesfragen gewandt. Er möge doch dafür sorgen, dass die Geburt gut verläuft, der Mann seinen Job behält, die Liebe einen endlich findet oder es sich nicht noch einmal anders überlegt. Manche Bittsteller machen es kurz: »Ich vermisse sie.« Andere füllen mehrere Seiten mit der Beschreibung ihres Beziehungskonfliktes oder kehren sogar immer wieder in die Kirche zurück, um den heiligen Valentin mit der Fortsetzung ihrer Liebesgeschichte auf dem Laufenden zu halten.

Valentins Arbeitspensum ist so beachtlich, wie die an ihn gestellten Ansprüche komplex sind. Mal soll er dem Langzeitprojekt »Suche nach dem Richtigen« neuen Schub geben, mal soll er es aus akuten Krisen retten. Humor muss er auch haben, wenn Isabelle selbstlos um den Richtigen für ihre beste Freundin bittet, um dann noch anzufügen: »Und wenn du schon dabei bist, könntest du für mich nach einem hübschen Schwarzhaarigen schauen.«

An das katholische Monogamiegebot verschwendet der gute Valentin vermutlich nur noch wenige Gedanken, weil sich zu viele Männer wie Ronny bei ihm für die dritte oder vierte Chance bedanken: »Bei dieser Frau gebe ich mir mehr Mühe. Versprochen!« Kritisches Feedback gibt es aber auch, wenn zum Beispiel die Wunscherfüllung allzu lange auf sich warten lässt: »Ich weiß, dass Gott jemanden für mich bestimmt hat. Offensichtlich habe ich ihn nur noch nicht getroffen. Ich hoffe, Valentin, du wirst mir endlich helfen, ihn zu finden«, mahnt da eine ungeduldige Katherine, während der Angesprochene über ihr steht, den Kopf leicht nach vorn geneigt, als schaue er ihr wirklich beim Schreiben zu. »Ich habe alles versucht, Online-Flirts, Speed-Dating, Kontaktanzeigen, den ganzen Mist, vielleicht hilft ja ein Gebet an dich, Val.«

Klingt, als wäre Val der gute Kumpel, mit dem man alles besprechen kann. Dabei ist er viel mehr als ein Kumpel, mehr als ein Kuppler und Beziehungsretter, denn genau genommen geht die größte Liebeserklärung an Valentin selbst, wenn Tausende Menschen ihm ihre Geheimnisse, Sorgen und Sehnsüchte anvertrauen. Ganz nebenbei machen sie anderen mit ihren Offenbarungen auch noch ein wunderbares Geschenk, den Trauernden und den Betrogenen, den Hoffenden, den Sitzengelassenen und den Einsamen, die als Singles nach Dublin reisen, weil sie - wie Charlie Brown - nie Erfolg bei ihrer Flamme hatten. Sie alle fühlen sich nach dem Lesen hunderter Herzenswünsche getröstet und nicht mehr ganz so allein. Hilfe zur Selbsthilfe nennt man das. Auch dafür danke, lieber Val!

Info

Whitefriar Street Church: www.whitefriarstreetchurch.ie
Am 14. Februar werden die Reliquien des heiligen Valentins aus dem Schrein geholt und vor dem Hochaltar platziert. Paare können sich an diesem Tag in einer Zeremonie während der Gottesdienste um 11.30 Uhr und um 15 Uhr ihre Ringe segnen lassen.

Anreise:

Aus Deutschland wird Irland direkt angeflogen von Aer Lingus, Lufthansa, Ryanair, Eurowings und Transavia. Viele Reiseveranstalter und Fluggesellschaften bieten günstige Fly&Drive-Angebote an. Eine direkte Fährverbindung besteht mit Irish Ferries von Cherbourg nach Dublin. www.irishferries.com

Besucherzentrum Dublin:

www.visitdublin.com

Irland Information:

www.ireland.com

www.facebook.com/entdeckeirland

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