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Gemeinsam feiern muss man üben

Die Eröffnungsfeier in Pyeongchang war voller Harmonie, nur die Russen wurden ausgebuht

Sie war als Feier des Friedens angekündigt worden, und die Koreaner trugen richtig dick auf. Die kommenden 16 Tage sollen möglichst komplett im Geiste der Versöhnung zwischen Nord und Süd stehen. Also wurde natürlich auch die Eröffnungszeremonie der 23. Olympischen Winterspiele vollgestopft mit Symbolen der Harmonie und des Friedens.

Es fehlte an nichts: digitale Friedenstauben in Übergröße, Hunderte Trommlerinnen, die zu Eum und Yang in Rot und Blau verschmolzen, der koreanischen Variante des Yin und Yang, die auch die südkoreanische Nationalflagge ziert. Vier nationale Stars sangen die Beatles-Friedenshymne »Imagine«, und plötzlich tauchten sogar Kim Jong-un und Donald Trump vor der Pressetribüne auf. Sie sorgten für eine riesige Schar von Smartphones zückenden Journalisten und stellten sich erst als Doubles heraus, als das Fehlen der Bodyguards bemerkt wurde. Da war freilich schon kräftig vom Weltfrieden getwittert worden. Das Bild der beiden fleißigen Händeschüttler passte auch perfekt zum Abend.

Ein wirklich historischer Handschlag war schon vorher auf der Ehrentribüne erfolgt: zwischen Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Kim Yo-jong, Mitglied des nordkoreanischen Politbüros und Schwester des dortigen Machthabers Kim Jong-un. Sie hatte am Freitag als erstes Mitglied ihrer Familie den Nachbarn im Süden besucht.

Wird in anderen Ländern das eigene Staatsoberhaupt bei solchen Zeremonien gern mal ausgepfiffen - vor zwei Jahren musste das Brasiliens Staatschef Michel Temer in Rio de Janeiro erfahren - gab es diesmal großen Beifall für Moon und Kim. Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), richtete in seiner Rede dann auch einen Dank an beide Länder: »Alle Athleten, alle Zuschauer im Stadion und an den Bildschirmen der ganzen Welt sind gerührt von dieser wundervollen Geste. Wir würden gern Teil dieser Botschaft des Friedens sein.« Wieder Beifall. Die Hoffnung, dass das Ganze nicht nur ein Publicity-Stunt bleibt, ist groß in Korea.

Dabei hatte die Show gar nicht so harmonisch begonnen. Eine halbe Stunde bevor die Fernsehkameras Bilder aus dem Olympiastadion in die Welt aussandten, hatten bereits zwei Taekwondo-Gruppen aus Nord und Süd eine gemeinsame Übung im Stadion aufgeführt. Für eine Einbindung ins offizielle Programm war die Zeit der Annäherung seit Kim Jong-uns Neujahrsrede offenbar zu kurz gewesen. Alle Zuschauer schauten leise und gebannt zu, nur eine knapp 230 Frauen starke nordkoreanische Fantruppe schwenkte schreiend und im strikten Takt ihre Fähnchen. Danach wurde zur Erwärmung K-Pop getanzt. Diesmal bewegten sich alle anderen Zuschauer, nur eben nicht die 230 Damen in Rot. Als dann die Stadionbesucher mit ihren Lampen das Stadion erhellen sollten, blieb ausgerechnet jener Block stockfinster, in denen die Nordkoreanerinnen Platz genommen hatten. Gemeinsam feiern muss noch geübt werden.

Das Olympische Feuer wurde schließlich von Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Kim Yu-na entfacht. Sie hatte die Fackel kurz zuvor von zwei Eishockeyspielerinnen überreicht bekommen, die in Pyeongchang ein gemeinsames Team aus Nord- und Südkoreanerinnen bilden. Da klatschten sogar mal die Fans aus beiden Ländern gemeinsam.

Am oberen Rand des Stadions sind dieser Tage übrigens die Flaggen aller teilnehmenden Nationen gehisst. Am Ende der Reihe weht die der Gastgeber aus dem Süden - an diesem Abend übrigens direkt über dem Block von Nordkoreas Fan-Delegation. Deren Fahne fehlt ebenso wie die weiße mit dem blauen Umriss der koreanischen Halbinsel, hinter der die Athleten beider Nationen gemeinsam ins Stadion eingelaufen waren.

Und noch eine Fahne fehlte: die russische. Nach dem Dopingskandal von Sotschi war Russlands NOK vom IOC ausgeschlossen worden. Seine hinter der olympischen Flagge marschierenden Sportler bildeten dann auch die einzige Mannschaft, die an diesem Abend hörbar ausgebuht wurde. Dabei hatte das IOC doch nur die sicher »sauberen« Athleten aus Russland eingeladen, die Sportfans in Korea sind davon aber offensichtlich noch nicht überzeugt.

Am Freitag, wenige Stunden vor der Eröffnungsfeier hatte der Internationale Sportgerichtshof CAS in Pyeongchang die letzten Klagen von 45 russischen Sportlerinnen und Sportlern abgewiesen. Sie waren vom IOC nicht eingeladen worden und versuchten daraufhin, ihre Teilnahme gerichtlich zu erzwingen. Der CAS stellte nun aber gleich mehrfach klar, dass es in Russland ein staatlich organisiertes Dopingsystem gegeben habe und dass das IOC dessen NOK dafür suspendieren durfte. Die Einladungen an Einzelsportler danach seien jedenfalls keine Bestrafung dopingverdächtiger Athleten gewesen, sondern ein Versuch herauszufinden, wer als sauber gilt. Da die Kläger nicht nachweisen konnten, dass das IOC dabei einzelne Russen bewusst diskriminierte, wurden die Klagen abgewiesen. Dabei befasste sich der CAS allerdings nicht mit dem Problem, dass manchen Athleten noch immer nicht erläutert worden ist, was gegen sie vorliegt.

Thomas Bach hatte auch für die anwesenden Russen eine Botschaft, selbst wenn er sie nicht offen an sie richtete: »Bleibt sauber! Nur so könnt ihr euch auch in Zukunft wie ein echter olympischer Athlet fühlen.«

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