Mieten, heizen, zahlen

Ablesung ist ein risikoloses Geschäft für die Konzerne - inzwischen sind die Kartellwächter aufmerksam geworden

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Hochsaison: Abertausende Nebenberufliche und 450-Euro-Jobber klappern im Februar und März die Wohnungen in Deutschland ab, um Heizkörper abzulesen. Für die Beschäftigten mag sich ihre Arbeit kaum auszahlen, für die Firmen sehr wohl. Techem, einer von zwei Monopolisten, die den deutschen Markt dominieren, hat allein in der Wintersaison 2016/17 bei einem Umsatz von 780 Millionen einen Gewinn von 320 Millionen Euro erzielt. Viel Geld für ein Geschäft, das nahezu risikolos und technisch wenig anspruchsvoll ist.

Schuld ist die Heizkostenverordnung. Sie war 1981 von der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP unter Helmut Schmidt in der Bundesrepublik eingeführt worden. Wird eine Heizungsanlage gemeinschaftlich genutzt, schreibt der Gesetzgeber verbindlich vor, dass die Heizkosten für jede einzelne Wohnung nach Verbrauch umzulegen sind. Mindestens 50 und höchstens 70 Prozent der entstandenen Kosten werden dabei nach dem individuellen Verbrauch verteilt, der Rest nach bewohnter Fläche. Früher waren Heizkosten oft pauschal nach Zimmerzahl verrechnet worden.

Für den Mietsachverständigen Adolf Krohn ist die Heizkostenverordnung daher »eine Erfolgsgeschichte bezüglich Energieeinsparung«. Die verbrauchsabhängige Abrechnung sollte die Bewohner nämlich zum Sparen motivieren. An jedem Heizkörper hängen deshalb »Verdunsterröhrchen« (oder digitale Geräte mit Temperaturfühler). Diese sogenannten Heizkostenverteiler messen nicht den Energieverbrauch an sich, sondern sie zählen Einheiten. Dadurch können die in einem Haus entstandenen Heizkosten auf die Mieter angemessen umgelegt werden.

Wo Wärme ist, ist bekanntlich auch Kälte: In der Heizkostenverordnung steckt eine merkwürdige Unwucht. Wenn in diesen Tagen die Ableser kommen, tun sie dies im Auftrag des Vermieters. Mit diesen handeln die Dienstleister Preise und Leistungen aus. Bezahlen muss den Service jedoch der Mieter. Ein Anbieterwechsel ist zudem mit hohen Kosten für den Hauseigentümer verbunden und durch lange Vertragslaufzeiten sowie technische Hürden zusätzlich erschwert.

Kritik gibt es auch am hohen Preis, der für eine an sich simple Dienstleistung zu zahlen ist. Wie viel jeder Mieter genau zahlt, lässt sich nur selten aus den Abrechnungen entnehmen, doch zwischen 50 bis 100 Euro fallen im Jahr üblicherweise an. Bei 18 Millionen Wohnungen in Deutschland, in denen Heizkosten abgelesen werden, summiert sich dies zu einem erklecklichen Batzen. Hinzu kommen Erträge aus neuen Dienstleistungen, wie dem Ablesen und der Abrechnung der Warmwasserzähler.

Die offensichtlich überhöhten Preise hatten nach Medienberichten und daraus erwachsendem öffentlichen Druck endlich das Bundeskartellamt auf den Plan gerufen. Vor drei Jahren leitete das Amt eine Sektoruntersuchung ein und kam im Mai 2017 zu dem Schluss, es gebe »Wettbewerbsprobleme«. Die Renditen der Unternehmen seien daher »verhältnismäßig hoch«. Die Mieter kommt das teuer zu stehen.

Um die Wettbewerbshemmnisse abzubauen, empfahl das Bundeskartellamt gesetzgeberische Maßnahmen. Passiert ist seitdem nichts. Auch, weil die Vermieter und Verwalter kein Interesse an einer Verfolgung des Kartellverdachts haben - da sie ja die Kosten auf ihre Mieter abwälzen können. Und auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD tauchen die Heizungsableser nicht auf.

»Wenige große Unternehmen beherrschen den Markt«, kritisiert Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Die beiden Marktführer Techem und Ista deckten im Jahr 2014 mehr als 50 Prozent des gesamten Marktes in Deutschland ab. Auf die größten fünf Anbieter entfielen über 70 Prozent. Und die tun sich nichts: Nach seinen Ermittlungen sah das Kartellamt Anhaltspunkte für ein »wettbewerbsloses Oligopol«, dem zumindest die beiden Marktführer angehören, möglicherweise aber auch weitere der größten fünf Anbieter.

Mittlerweile haben Finanzinvestoren das in zwei Dutzend Ländern aktive Monopoly für sich entdeckt. Der Finanzier CVC verkaufte nach über einem Jahrzehnt die Essener Ista im Sommer an ein Konsortium um die Hongkonger Heuschrecke Li Ka-shing. Für sagenhafte 5,8 Milliarden Euro. 2017 war dies die teuerste Firmenübernahme durch Finanzinvestoren. Jetzt bietet die Bank Macquarie auch den zweiten großen Heizungsableser feil. Es wird mit einem ähnlich hohen Rekordpreis gerechnet. Vorher hatte die australische Investmentbank Techem noch aufgehübscht und jede vierte Stelle in Deutschland gestrichen.

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