»Ich muss mir nicht vier Jahre lang Druck machen«

Patrick Burgener über seine zwei Karrieren als Weltklasse-Snowboarder und Popmusiker

Nach Ihrem letzten Lauf waren Sie Vierter. Andere ärgern sich, so knapp das Podest zu verpassen, Sie aber freuten sich ungemein. Sind Ihnen Medaillen unwichtig?

Klar hätte ich gern eine Medaille, aber die anderen sind so gut gefahren, ich kann ihnen die ja nicht klauen. Sie haben sie verdient, weil sie Höchstschwierigkeiten bei sehr hohen Sprüngen zeigten. Eine Medaille will ich nicht mit Glück gewinnen, sondern mit Schweiß und harter Arbeit. Nach meinem Lauf habe ich mich aber trotzdem so gefreut, weil ich nicht glauben konnte, wie gut ich gefahren war. Switch back 1080 double und noch ein Dreifacher dran - ich hatte immer Angst vor dieser Kombination. Heute habe ich sie gleich dreimal perfekt gestanden, und das bei Olympia! Mein Ziel war, den besten Lauf meines Lebens hinzulegen, und das habe ich geschafft.

Zur Person
Patrick Burgener verpasste in der Halfpipe nur knapp eine Medaille. Der 23-jährige Schweizer Snowboarder freute sich trotzdem, weil er den »Lauf seines Lebens« zeigte. Oliver Kern sagte er danach, dass er nun die Gewissheit habe, in vier Jahren Olympiasieger werden zu können. Doch bis dahin sei noch so viel Zeit für den Gitarristen, erst mal ein neues Album aufzunehmen und die Charts zu stürmen.

Der große Favorit, Shaun White aus den USA, lag nach zwei von drei Durchgängen nur auf Platz zwei. Waren Sie sicher, dass er es wieder schaffen wird, oder dachten Sie, dass er heute mal bezwungen wird?

Ich habe sehr großen Respekt vor Shaun. Er pusht uns alle immer weiter nach vorn. Aber es war schon ein verrückter Wettbewerb, Nach meiner letzten Wertung dachte ich, heute kann alles passieren. Die Juroren hatten den Amerikaner Ben Ferguson vor mir einsortiert, und ich rutschte noch auf Rang fünf ab, das fand ich unglaublich. Er hätte höchstens Sechster oder Siebenter werden dürfen, aber so was passiert. Wenn die Juroren dich und deinen Stil mögen, setzen sie dich sogar mal aufs Podium, oder eben auf Gold. Manchmal machen sie Fehler. Ich sitze nicht in der Jury, und sonst hat sie eigentlich alles richtig gemacht. Wenn es aber ums Podest gegangen wäre, hätte mich das richtig angeschissen. Aber nicht bei Platz vier oder fünf, das wird mich also nicht lange beschäftigen. Für mich werde ich immer Olympiavierter sein.

Sie sind nebenbei auch noch Musiker, was machen Sie denn jetzt: Sport und Musik?

Ich weiß, ich habe das Potenzial, in vier Jahren aufs Podest zu kommen. Das habe ich heute erkannt. Ich freue mich aber auch darauf, dass ich mich die nächsten zwei Jahre erst mal viel mehr meiner Musik widmen kann. Ich hoffe, das macht mich frei von all dem Druck. Ich werde auch weiter Wettkämpfe bestreiten, denn ich will immer mehr. Das ist mein Motto. Also will ich irgendwann mal Gold gewinnen, egal ob bei einer WM, den X-Games oder bei Olympia. Ich hatte mir vorgestellt, dass ich nach den Spielen nur noch Party mache und das Leben genieße. Aber dieses Ergebnis motiviert mich viel zu sehr.

Ist es denn möglich, erst mal lange auszuspannen und trotzdem der weltbeste Snowboarder zu werden?

Ich habe das doch gerade bestätigt. Welcher andere Sportler bei diesen Spielen hier macht nebenher noch Musik so wie ich? Ich betreibe das schon seit einiger Zeit so professionell wie das Snowboarden.

Die meisten Trainer sagen, vier Jahre seien zu kurz für solche dualen Karrieren.

Nein, sie sind sehr lang. Vor vier Jahren habe ich mich nicht für Olympia qualifiziert, als ich Slopestyle gefahren bin. Ich habe dann eine Weile fast nur Musik gemacht und irgendwann dem Trainer gesagt, dass ich wieder Halfpipe fahren will. Er sagte: »Nein, da hast du keine Chance!« Und jetzt gehöre ich zu den Besten der Welt. Ich muss mir also nicht vier Jahre lang Druck machen. So eine lange Vorbereitung braucht keiner. Auch Shaun White hat sich sehr oft verletzt und war bei Olympia doch immer wieder da. Ich weiß, für mich ist das der richtige Weg.

Was müssen Sie denn sportlich noch verbessern, um ganz nach vorn zu kommen?

Mental bin ich schon so weit, das habe ich heute gezeigt. Es fehlt noch an der Technik. Da sind andere noch ein bisschen besser als ich. Aber jetzt weiß ich ja, woran ich arbeiten muss. Und ich werde schon noch trainieren: im Winter auf dem Berg und im Sommer auf dem Trampolin. Ich werde mich gut vorbereiten auf die Spiele in vier Jahren, aber es gibt eben noch so viele andere Sachen, auf die ich mich in dieser Zeit freue.

Worauf zum Beispiel?

Erst mal, dass der Druck abfällt. Bis Ende des Sommers werde ich sicher pausieren und das Leben genießen. Ich gebe bald ein großes Konzert auf einem Festival in Zürich, im Sommer noch eins in Bern. Ich will auch ein neues Album aufnehmen. Die letzten vier Monate waren so intensiv, dass ich ganz viel geschrieben habe. Mir ging so viel durch den Kopf, das muss einfach zu Musik werden. Und das Album wird dann groß rauskommen. Da bin ich sicher, denn ich vertraue meiner Musik. Ich stecke da ja genauso viel rein wie ins Snowboarden.

Eins Ihrer Lieder heißt »Korea«. Haben Sie heute noch mal reingehört?

Ja. Vor einem Jahr bin ich hier beim Weltcup gestürzt. Ich war ganz nah dran am Sieg, und dann war plötzlich alles vorbei. Ich habe mich so schlecht gefühlt, dabei muss man das nicht. Also schrieb ich: »Don’t be afraid of the sound of falling down. Next time you’ll come around.« Das soll bedeuten, dass man vor nichts Angst haben soll. Man muss es einfach nur tun. Das Leben gibt dir zurück, was du verdienst. Ich habe mir den Song heute Morgen noch mal angehört, weil ich wusste, dass er mir helfen wird. Und ich habe tatsächlich bekommen, was ich mir verdient habe. Nach Olympia fliege ich nach Los Angeles, um auch aus den neuen Zeilen tolle Songs zu machen.

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