Luftnummer zum Nulltarif

Kurt Stenger über Reaktionen auf die Idee kostenlosen Nahverkehrs

Als vor einigen Jahren in Köthen ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr getestet wurde, führte das schlagartig zu einer Verfünffachung der Passagierzahlen. Auch wenn dies nicht verallgemeinerbar ist - mehr Leute würden Bus und Bahn nehmen, wenn dies zum Nulltarif möglich wäre. Dass gerade Kommunalpolitiker fast schon verärgert auf den Vorstoß der Bundesregierung reagieren, dies hier und da zeitweilig zu fördern, ist trotzdem verständlich: Als Folge des jahrelangen Einsparzwangs sind die ÖPNV-Systeme derart marode, dass sie schon die jetzigen Fahrgastzahlen kaum noch bewältigen. Den Investitionsstau zu beseitigen und die Infrastruktur auszubauen, würde Jahre dauern, wäre aber Voraussetzung für die Nulltarifidee.

Als Maßnahme für kurzfristige Luftverbesserung, wie die Bundesregierung der mit Klagen drohenden EU-Kommission vorgaukelt, taugt der Vorschlag also überhaupt nicht. Ernst gemeint ist er ohnehin nicht. Es geht darum, die (Diesel-)Autoindustrie bei Maßnahmen für bessere Luft weiter zu schonen und politischen Aktionismus vorzugaukeln.

Doch was als Nebelkerze gedacht ist, könnte endlich Klarheit in die verworrene Debatte über drohende Fahrverbote bringen. Die kommunalen Finanznöte treten ebenso in den Vordergrund wie die Notwendigkeit einer Verkehrswende, die ökologische und soziale Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen hat. Bleibt nur zu hoffen, dass die Debatte nicht gleich wieder einschläft und vor allem nicht folgenlos bleibt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal