Palästinensische Ikone Tamimi vor Gericht

  • Oliver Eberhardt, Tel Aviv
  • Lesedauer: 3 Min.

Eines der Zentren des palästinensischen Kampfes gegen die israelische Besatzung ist ein kleines Dorf außerhalb von Ramallah: Etwa 500 Menschen leben in Nabih Salih; noch einmal so viele werden am heutigen Freitag erwartet, um außerhalb des Ortes für die Freilassung von Ahed Tamimi zu demonstrieren.

Die 17-Jährige ist die bekannteste Einwohnerin von Nabih Salih. Im Dezember hatte sie zwei israelische Soldaten geohrfeigt und beschimpft; nachdem in sozialen Netzwerken ein von Angehörigen aufgenommenes Video davon veröffentlicht wurde, hatte Israels Militär vier Tage später das Wohnhaus der Familie gestürmt, die Jugendliche fest genommen.

Seit der vergangenen Woche steht Tamimi nun vor einem israelischen Militärgericht. Sie wird beschuldigt, in zwölf Fällen Soldaten angegriffen und beleidigt zu haben; das Verfahren erhitzt die Gemüter: Die israelische Regierung, eine rechts-religiöse Koalition, fordert ebenso wie rechte Organisationen und Medien eine langjährige Haftstrafe. Für viele Palästinenser und pro-palästinensische Aktivisten ist sie indes eine Freiheitskämpferin, eine Ikone.

Dabei war der Vorfall im Dezember nichts, was normalerweise zu einer Festnahme oder gar größerem Aufsehen führen würde: Ein paar leichte Ohrfeigen, ein paar böse Worte; die Soldaten verhielten sich ruhig, folgten den Anweisungen, entfernten sich, notierten den Vorfall im Einsatzbericht.

Dass es zu Festnahme und Anklage kam, liegt vor allem daran, dass es sich bei der Familie Tamimi um eine bekannte Aktivistenfamilie handelt, die immer wieder durch öffentlichkeitswirksame Aktionen auffällt, bei denen die Familienmitglieder sich stets filmen lassen; immer mittendrin: Ahed Tamimi, die mit ihrem roten Haar und ihrem westlichen Kleidungsstil an einen Teenager aus Europa oder den USA erinnert. So war sie vor Jahren auf einem weltweit vielfach veröffentlichten Bild zu sehen, wie sie gemeinsam mit ihrem Bruder einem Soldaten ein Netz über den Kopf zieht. Immer wieder versucht sie, Soldaten in Diskussionen zu verwickeln.

Regierung und Militär ist das bereits seit langem ein Dorn im Auge: Man sieht die Soldaten vor der Welt bloß gestellt, befürchtet aber gleichzeitig, dass Militärangehörige Sympathie mit dem westlich erscheinenden Teenager empfinden, so Michael Oren, Abgeordneter der konservativen Koalitionspartei Kulanu.

»Wer tagsüber Soldaten angreift, wird nachts verhaftet,« erklärte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman nach der nächtlichen Festnahme. Gaby Lasky, die Anwältin Tamimis, kritisiert, dass das Militär versuche, die eigene Gerichtsbarkeit für die Durchsetzung der Besatzung zu missbrauchen.

Im Januar hatte das Gericht Untersuchungshaft verhängt, denn es sei offensichtlich, dass Tamimi eine Gefahr darstelle. Zum Prozessbeginn in der vergangenen Woche wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen; offiziell aus Gründen des Jugendschutzes; wann das Urteil gesprochen wird, ist völlig offen.

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