Die Qual der Schulwahl

Noch bis zum 21. Februar läuft das Anmeldeverfahren für die Berliner Oberschulen

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie hat hin und her überlegt. »Die Entscheidung, auf welche Schule mein Kind in Zukunft gehen soll, ist wirklich nicht einfach«, sagt Constanze Bubek. Die Wirtschaftsprüferin lebt im Südwesten von Berlin und ist die Mutter von Johanna. Die Elfjährige geht in die sechste Klasse der Internationalen Schule Berlin (ISB) in Steglitz. Johanna, die in ihrer Freizeit am liebsten Ponys reitet, hat in ihrer Klasse viele Freunde. Der bilinguale Unterricht auf Deutsch und Englisch macht ihr Spaß. Das zeigt sich auch an ihren guten schulischen Leistungen. Deshalb möchte das aufgeweckte Mädchen auch in jedem Fall Abitur machen. Aber nicht im Eiltempo von 12 Jahren auf dem Gymnasium, findet ihre Mutter. »Ich denke, man sollte den Kindern etwas mehr Zeit zum Lernen und für ihre persönliche Entwicklung lassen«, sagt die 47-Jährige. Deswegen habe sie sich für ihre Tochter für das Modell der Integrierten Sekundarschule mit ihren 13 Jahren bis zum Abitur entschieden.

Die private ISB in Steglitz verfügt in ihrem Oberstufenteil über eine Sekundarschule und bietet Ganztagsbetrieb an. Das ist für Bubek als Berufstätige wichtig. Deswegen hat sie auch die ISB als ihren Erstwunsch auf dem Anmeldebogen angegeben. »Ich hoffe, dass Johanna angenommen wird«, sagt Bubek. Da sie einen Notendurchschnitt von 1,7 hat und bereits auf der ISB-Grundschule war, dürften ihre Chancen gut stehen.

Wie Bubek hoffen auch die anderen Eltern der rund 30 000 Berliner Sechstklässler, dass ihre Kinder an der jeweiligen Wunschschule angenommen werden. Noch bis zum 21. Februar können die Anmeldebögen für die Gymnasien und Integrierten Sekundarschulen ausgefüllt werden. Entscheidend für die Wahl Gymnasium oder Sekundarschule ist dabei die Förderprognose der Grundschulen. Die Prognose setzt sich aus den Zeugnisnoten des zweiten Halbjahres der fünften und des ersten Halbjahres der sechsten Klasse zusammen. Bei einem Schnitt von 2,2 wird das Gymnasium empfohlen, ab einem Schnitt von 2,8 die Sekundarschule. Alles dazwischen obliegt der individuellen Befähigungseinschätzung der Grundschullehrer. Am Ende haben es die Eltern selbst in der Hand. Wer zum Beispiel ein längeres Lernen bis zum Abitur gut findet, entscheidet sich wie Constanze Bubek trotz Gymnasialempfehlung für die Sekundarschule.

Neben einer Hauptpräferenz können die Eltern zwei weitere Schulen als Wunsch angeben. Haben die Schulen mehr Anmeldungen als Plätze, wird in der Regel auf den Notendurchschnitt geschaut. Dabei sind zehn Prozent der Schulplätze für Härtefälle oder Geschwister reserviert. Die Wohnortnähe ist seit dem Schuljahr 2011/12 nicht mehr entscheidend. Die übernachgefragten Schulen ziehen manchmal noch weitere Kriterien wie eine besondere musische Begabung oder soziales Engagement für ihre Auswahl heran. Außerdem werden 30 Prozent der Plätze durch Los vergeben. Dieses Losverfahren steht allerdings schon seit Längerem in der Kritik. Es sei durch seinen Glückscharakter leistungsfeindlich und sozial ungerecht, sagen Kritiker. Bildungssenator Sandra Scheeres (SPD) hält dagegen: »Über das Losverfahren hat jedes Kind eine Chance, auf seine Wunschschule zu kommen - unabhängig vom Notendurchschnitt.« Die Statistik scheint ihr recht zu geben: Nach Angaben der Senatsbildungsverwaltung bekamen 92 Prozent der Schüler im vergangenen Jahr einen Platz an einer ihrer Wunschschulen. Nur acht Prozent musste ein Schulplatz zugewiesen werden.

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