Neubrandenburg holt Marx aus dem Depot

Die Stadt will die Statue im Zentrum »aufstellen« - allerdings liegend

  • Winfried Wagner, Neubrandenburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Stadt Neubrandenburg will sich offensiver mit ihrer DDR-Geschichte auseinandersetzen und hat so einen neuen Vorschlag für den Umgang mit einer Karl-Marx-Statue vorgelegt. Das 2,20 Meter hohe und mehr als eine Tonne schwere Denkmal des Philosophen (1818 - 1883), das seit 17 Jahren in einem Depot aufbewahrt wird, soll wieder im Zentrum aufgestellt werden - allerdings liegend. »Wir wollen auf diese Weise nicht die Bedeutung des Philosophen würdigen, sondern uns mit unserer eigenen Geschichte auseinandersetzen«, sagte Oberbürgermeister Silvio Witt (parteilos) am Freitag. »Wir können heute anders mit solchen Denkmälern umgehen als noch in den 1990er Jahren«, erklärte das Stadtoberhaupt.

Der Bronzedenkmal stammt vom Berliner Bildhauer Gerhard Thieme. Es stand von 1969 bis 1995 auf dem Marktplatz, der in der damaligen DDR-Bezirkshauptstadt »Karl-Marx-Platz« hieß. »Damals bei der Aufstellung gab es keinen Bürgerentscheid, es war reine Ideologie«, erklärte der Oberbürgermeister. Das soll nun anders sein. Über den Vorschlag der Verwaltung, die sich mit Historikern und Philosophen beraten hat, sollen Einwohner und Stadtvertreter diskutieren. Eine Vorlage soll am 22. März im Stadtparlament beraten werden. Ein Aspekt ist der 200. Geburtstag des Philosophen am 5. Mai.

»Das Denkmal soll einen kleinen Sockel bekommen, aber dann waagerecht in 90 Zentimetern Höhe an der Bibliothek aufgestellt werden«, sagte Witt. Die Statue erhalte auch eine Schulterstütze. »Man könnte sagen, Marx braucht eine Denkpause«, meinte der Philosoph und Grafiker Gilberto Perez Villacampa, der an der Erarbeitung der Vorlage beteiligt war. Der 56-Jährige sieht in dieser Aufstellung auch eine »Entideologisierung des Denkmals«.

»Wenn man von außen auf Deutschland blickt, fallen mir etwa fünf bekannte Deutsche ein«, sagte der Kubaner, der seit 1991 in Deutschland lebt. Dazu zähle Marx auf jeden Fall. Im Ausland seien zudem Einstein, Beethoven, vielleicht Goethe und Bach, aber auch Hitler bekannt. Das habe nichts mit einer Wertung zu tun.

Die LINKE wollte den »Karl Marx« in Neubrandenburg schon mehrfach an zentraler Stelle wieder aufstellen lassen, was zwar keine Mehrheit fand, aber für überregionale Schlagzeilen sorgte. Weitere Varianten waren: Aufstellung abseits des Zentrums vor dem Gebäude der einstigen DDR-Staatssicherheit oder im Kulturpark mit anderen ehemaligen Denkmälern. Das lehnten Witt und Villacampa ab. »Ein respektvoller Umgang ist nötig und das im Zentrum«, erklärte der Kubaner. Das sei auch ein Signal gegen den Missbrauch solcher Marx-Denkmäler.

Für die neue Variante, in der manche Betrachter auch einen schwebende Marx erkennen, muss die Stadtverwaltung die Zustimmung der Abgeordneten, des Landesamts für Denkmalpflege und des Künstlers haben. Für die Kosten von rund 25 000 Euro wollen private Spender aufkommen. Bildhauer Thieme - inzwischen 90 Jahre alt - sei schon gefragt worden, so Witt. Die Antwort stehe noch aus. Im Übrigen sei diese »Liegende Variante« nicht die erste. In Wesel in Nordrhein-Westfalen soll in wenigen Wochen ein Jahrzehnte eingelagertes Kaiser-Wilhelm-I.-Denkmal aufgestellt werden - auch liegend. »Da hatten wir unsere Idee aber schon unabhängig davon gefunden.« dpa/nd

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