Das schwere Los der Straßenkinder

Casa Alianza unterstützt seit 28 Jahren obdachlose Kinder und Jugendliche in Honduras

  • Kathrin Zeiske
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Leben auf der Straße ist gekennzeichnet vom täglichen Überleben ohne die Sicherheit der »eigenen vier Wände«. Gerade für Kinder und Jugendliche birgt die Straße zahlreiche Gefahren, Risiken und Entbehrungen. Gleichzeitig kann sie aber auch ein Zufluchtsort vor Gewalt und Hunger sein.

»Straßenkinder werden durch die Diffamierung der Gesellschaft einmal mehr zu Opfern«, so José Guadalupe Ruelas, Direktor der Nichtregierungsorganisation Casa Alianza. Sie seien als »Vagabunden« und »Diebe« verschrien. »Dabei arbeiten die Kinder hart, um durchzukommen.« Manche Straßenkinder verdienten durch Betteln umgerechnet sieben Euro am Tag, also rund 140 Euro im Monat; immerhin die Hälfte des Mindestlohns in Honduras. »Aber von ihrem Tagesverdienst gehen sechs Euro an die Person, die ihnen den Platz «vermietet». Diese zahlt vier Euro an die Bande, die das Viertel beherrscht und diese wiederum gibt zwei Euro an die Polizei ab: ein krimineller und korrupter Kreislauf«, urteilt Ruelas.

In Honduras sind alleine 10 000 Kinder obdachlos. Zumeist leben sie in Tegucigalpa und San Pedro Sula, dem Regierungssitz und der Wirtschaftsmetropole des kleinen mittelamerikanischen Landes mit nur knapp 9 Millionen Einwohnern. Manche leben wegen extremer Armut mit ihrer ganzen Familie auf der Straße und gehen trotzdem in die Schule. Wenn sich Kinder alleine auf der Straße durchschlagen, dann steht dahinter oft häusliche und sexuelle Gewalt in den Familien.

Casa Alianza unterstützt seit 28 Jahren obdachlose Kinder und Jugendliche in Honduras. Mobile Teams von Sozialarbeitern und Psychologen begleiten Minderjährige bei der Überwindung von Suchtzuständen und Traumata und vermitteln grundlegende Sicherheitsregeln für die Kindheit auf der Straße. »Einzigartig an unserer Organisation ist, dass wir mit Jugendlichen jeglicher sexueller Orientierung arbeiten. Wir akzeptieren sie so wie sie sind.« Wenn Jugendliche sich für ein Leben in einer der Herbergen von Casa Alianza entscheiden, dann müssen sie einen eigenen »Lebensplan« erarbeiten. »Sie sollen auf ihre Träume hinarbeiten. Wir helfen ihnen dabei.«

Doch die Organisation, die vor zwei Jahren vom US-amerikanischen Thinktank WOLA (Washington Office on Latin America - Advocacy for Human Rights) für ihre engagierte Arbeit ausgezeichnet wurde, ist im eigenen Land umstritten. Die demokratischen Institutionen werden seit dem Putsch im Jahre 2009 immer weiter ausgehöhlt und die Gewaltenteilung zugunsten der Nationalen Partei faktisch aufgelöst. Zuletzt sicherte sich der aktuelle Machthaber Juan Orlando Hernández eine erneute Amtszeit durch einen offensichtlichen Wahlbetrug im vergangenen November. Wer wie die Organisation Casa Alianza anprangert, dass Armut und Gewalt unter diesen Umständen im Land zunehmen, muss mit Repression rechnen.

José Guadalupe Ruelas, den ein Angriff von Polizei und Militär im Jahr 2014 selbst ins Krankenhaus brachten, denunziert immer wieder die »sozialen Säuberungen«, die gegen Straßenkinder durchgeführt werden. »Die Todesschwadrone kommen aus dem Dunstkreis von Banden, Polizei und Militär. Sie ermorden mindestens zwei Kinder am Tag.« Dabei dürfte die Dunkelziffer weitaus höher liegen, denn es ist davon auszugehen, dass nur knapp mehr als die Hälfte der Fälle überhaupt durch die Medien geht. Die toten Kinder werden öffentlich ausgestellt, manchmal in Müllsäcken auf die Straße geworfen. »Das Verbrechen soll sichtbar sein. Die Ausführenden sind vom Fach und gut ausgestattet. Es ist ein Krieg gegen Kinder mit einem großen Machtvorteil der Aggressoren.«

Die Gewalt in Honduras ist sehr komplex. Die Institutionen sind von der organisierten Kriminalität infiltriert und die Drogenkartelle wiederum sind internationale Akteure. Auf lokaler Ebene kämpfen Banden um Territorien. Wer dabei mehr Gewalt ausübt, kontrolliert das Gebiet. Und wer Kinder tötet, verbreitet Terror in der Bevölkerung.

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