Ein Soldat als Moralapostel

  • Falk Hartig
  • Lesedauer: 3 Min.

Als 2017 in China neue Schulbücher auf den Markt kamen, war neben Karl Marx und Konfuzius der Soldat Lei Feng eine der historischen Figuren, mit denen Chinas Kinder seither kollektivistisch und sozialistisch erzogen werden. Dieses Jahr sind Symposien geplant, die den Lei-Feng-Geist mit den Errungenschaften des 19. Parteitages des vergangenen Herbstes in Einklang bringen sollen.

Lei Feng wuchs in den 1940er Jahren als Vollwaise auf, wurde von der Kommunistischen Partei großgezogen und verbrachte sein kurzes Leben in der Volksbefreiungsarmee. Berühmt wurde er ein Jahr nach seinem Tod, als Mao Zedong am 5. März 1963 die erste Lei-Feng-Kampagne initiierte. Bis heute ist der 5. März der Lei-Feng-Tag, an dem Schüler und Studenten dem Lei-Feng-Geist nacheifern, indem sie Straßen fegen, Alten helfen oder Blut spenden.

Lei dient immer noch als Vorbild: Er half alten Frauen über die Straße, spendete seinen kargen Sold Bedürftigen und stopfte seinen Kameraden heimlich nachts die Socken. Diese guten Taten, erstaunlich oft von Fotografen festhalten, zementierten seinen Ruf als bescheidener und selbstloser Mustersoldat. Zudem verschrieb er sein Leben der Partei. Er wollte nichts weiter als ein »Schräubchen der Revolution« sein und dem Volke dienen.

Als es in den 1980er Jahren im Zuge der Öffnungs- und Reformpolitik hieß, »Reich werden ist ehrenvoll«, wurde der Lei-Feng-Geist entsprechend angepasst. Individueller Reichtum trage zum Wirtschaftswachstum bei, hieß es, weshalb auch die Neu-Reichen im Sinne Lei Fengs dem Volke dienten. Nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 musste Lei Feng die Chinesen daran erinnern, dass die Armee eigentlich Freund und Beschützer des Volkes sei und kurz darauf wurde mit ihm eine patriotische Erziehungskampagne propagiert.

Als sich Todestag und Beginn der Kampagne 2012/2013 zum 50. Mal jährten, lancierte die chinesische Führung die jüngste großangelegte Lei-Feng-Kampagne. Der chinesische Kapitalismus hat, so sehen es viele Chinesen, die Gesellschaft in eine moralische Krise gestürzt, die sich in der Korruption der Parteikader genauso ausdrückt wie in einer zunehmenden sozialen Kälte. So bezieht sich auch der aktuelle Partei- und Staatschef Xi Jinping immer wieder auf Lei und spannt ihn für seine Re-Ideologisierung ein. 2013 erklärte Xi, dass Menschen, die sich selbstlos im Geiste Lei Fengs für andere aufopfern, das Rückgrat der chinesischen Gesellschaft seien und 2014 hielt Xi fest, dass der Lei-Feng-Geist Ausdruck der sozialistischen Grundwerte sei.

Das Problem: Neben vereinzelten Zweifeln, ob es ihn überhaupt je gab, überzeugt der Mustersoldat nicht mehr. 2013 kamen drei Filme über ihn in die Kinos, alle floppten. Die Propaganda verfängt nicht mehr. Trotzdem werden die Medien dieser Tage wieder ausführlich über »lebende Lei Fengs« und deren gute Taten berichten.

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