»Muss sich erst herumsprechen«

Noch sind wenige Fahrgäste mit dem ersten Bürgerbus Sachsen-Anhalts unterwegs

  • Simon Ribnitzky, Osterburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit vollen Einkaufstüten steigt Margarete Schulze in den Kleinbus. »Diesen Bus finde ich gut - der hält überall und man muss nicht so weit zu den Haltestellen laufen«, bringt die 80-Jährige die Vorteile von Sachsen-Anhalts erstem Bürgerbus auf den Punkt. Sie wohnt im 300-Seelen-Ort Walsleben. Ein eigenes Auto, um zum Einkaufen oder für einen Arzttermin nach Osterburg zu kommen, hat sie nicht. »Ich bin auf meine Kinder angewiesen.« Tagsüber müssen die jedoch arbeiten und das Angebot an regulären Buslinien ist dürftig. Mit dem Bürgerbus kommt sie unkompliziert ins Zentrum, zudem hält der Bus auch direkt vor dem Supermarkt. »Gerade für ältere Leute ist das schon schön.«

Das Prinzip des Bürgerbusses: Ehrenamtliche Fahrer setzen sich in ihrer Freizeit hinters Lenkrad - Bürger fahren also Bürger. Das im Februar gestartete und mit EU-Geldern finanzierte Projekt ist das erste der Art in Sachsen-Anhalt. Demnächst soll ein Bus in Möser im Jerichower Land folgen. Andere Bundesländer haben mehr Erfahrung. In Sachsen rollen die Busse im Vogtland und in Nord- und Ostsachsen. In Nordrhein-Westfalen, wo die Idee entstand, gibt es Bürgerbusse seit mehr als 30 Jahren.

Solche Projekte könnten dazu beitragen, dass kleine Orte auch in Zeiten des demografischen Wandels lebenswert bleiben, sagt Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel (CDU). Gerade in ländlichen Regionen sind die Wege oft weit und Einkaufsmöglichkeiten oder Ärzte gibt es oft nur in größeren Orten. Osterburgs Bürgermeister Nico Schulz (CDU) betont, das Projekt stärke auch den nachbarschaftlichen Zusammenhalt.

Acht ehrenamtliche Fahrer sitzen im Wechsel hinter dem Steuer des Osterburger Bürgerbusses. Im Rhythmus von zwei Wochen bedient er acht verschiedene Routen. Jeden Freitag in ungeraden Kalenderwochen ist die Tour Walsleben dran, bei der Lutz Klooß den Bus steuert. »Solange es mir gesundheitlich gut geht, mache ich das gern«, sagt der 69-Jährige, der im Berufsleben in ganz Deutschland auf Montage unterwegs war.

Vor ihrem Einsatz wurden die Fahrer umfangreich geschult, berichtet Wolfgang Ball von der Nahverkehrsgesellschaft Nasa, die das Projekt unterstützt. Dazu gehörte neben einer Gesundheitsuntersuchung auch ein Reaktionstest, wie Fahrer Klooß berichtet. Gemeinsam mit den anderen Fahrern hätte sie zudem die Routen abgefahren, um sich mit Ablauf und Haltestellen vertraut zu machen.

Auch wenn alle Beteiligten das Projekt loben - in den ersten Tagen sitzen nur wenige Fahrgäste im Bus. »Natürlich haben wir nicht erwartet, dass von Beginn an jeden Tag sieben Leute vor der Tür stehen«, sagt Verwaltungsamt-Leiterin Anke Müller. Sie ist zuversichtlich, dass die Nachfrage rasch wächst. »Das neue Angebot muss sich erst herumsprechen, die Leute müssen Vertrauen fassen.«

Ein Blick nach Sachsen zeigt, dass das gelingen kann. Den Bürgerbus im Vogtland gibt es seit einem Jahr, mehr als 10 000 Fahrgäste haben das Angebot schon genutzt. Der Bus stoppt alle paar hundert Meter, damit die Fahrgäste möglichst kurze Wege haben. Das Interesse ist entsprechend groß, Leerfahrten eine Seltenheit.

Auch der Bürgerbus in Osterburg ergänzt zunächst mit Fahrten am Vormittag den regulären Busverkehr - mit anderer Linienführung und Zusatzhaltestellen. An Nachmittagen und am Wochenende soll der Bus Vereinen zur Verfügung stehen. So könnten Kinder zum Sporttraining gebracht werden oder Seniorengruppen einen Theaterausflug machen, sagt Müller. dpa/nd

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