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Wasserbomben und Nachbarschaft

Nachbarschaftsinitiative Weserkiez organisiert mietenpolitische Demonstration mit

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

Dampf ablassen über steigende Mieten und Gentrifizierung - das wollen Aktivist*innen am 14. April mit einer großen Demonstration unter dem Slogan »WIDERSETZEN. Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn«. Dazu haben sich stadt- und mietenpolitische Gruppen zu einem breiten Bündnis zusammengeschlossen. Januś Borner, Aktivist bei der Nachbarschaftsinitiative Weserkiez, gehört ebenfalls dazu.

Schon 2011, als er noch zur Schule ging, beobachtete er die Entwicklungen seines Kiezes mit Unbehagen. »Damals habe ich aus Protest Wasserbomben vom Dach geworfen oder mich im Gebüsch versteckt und mit Wasserpistolen auf Hipster geschossen«, sagt er. »Und jetzt, sieben Jahre später, nachdem ich nach Berlin zurückgekommen bin, dachte ich mir: Jetzt muss ich mich wirklich engagieren.«

So schloss sich der inzwischen 22-Jährige der Nachbarschaftsinitiative an, in der sich die Bewohner*innen des Hauses Weserstraße 207 organisieren. Borner ist in dem Haus aufgewachsen; seine Familie lebte schon in der Wohnung in Neukölln, als er 1995 geboren wurde.

Richtig aktiv wurde die Mieter*inneninitiative erstmals Anfang 2017 im Konflikt mit Hausbesitzer Alexander Skora. Dieser vermietete im Vorderhaus Räume an ein Hostel. Wegen Missachtung der Lärm- und Brandschutzbestimmungen musste es aber schließen - ein Erfolg der Weserkiez-Initiative. Die Initiative habe erst darauf aufmerksam gemacht, dass das Hostel nicht die Vorgaben erfülle, sagt Borner. »Ohne sie hätte das Amt gar nichts davon bemerkt.«

Für die Hausbewohner*innen bedeute ihr Engagement Ärger mit dem Vermieter. Skora schikaniere die Mieter*innen, die sich gegen das Hostel gewehrt haben, nun beispielsweise mit fristlosen Kündigungen - mit vorgeschobenen Gründen wie »Spucken aus dem Fenster« oder »Besitz eines Hundes«, sagt Borner. Gebessert habe sich die Situation für die Bewohner*innen auch nur zum Teil: Die Lärmbelästigung durch die Bar im Vorderhaus, sei weiterhin ein Problem. Außerdem gehe Skora notwendige Instandsetzungsmaßnahmen am Gebäude nicht an.

Tatsächlich ist das Haus zur Weserstraße hin zwar leuchtend bunt bemalt. Im Innenhof ist der Anstrich allerdings deutlich älter, Putz bröckelt von den Wänden, die Farbe blättert an vielen Stellen ab. Borner erzählt, dass sein Zimmer kaum zu beheizen sei, weil die die Wände und Fenster schlecht isoliert seien.

Die Wohnsituation im Haus und die zunehmende Gentrifizierung im Kiez und ganz Berlin sind Gründe für sein Engagement. »Es geht an die Wurst, es wird immer prekärer. Ich bin richtig glücklich, dass ich durch die Initiative die Mietendemo mitorganisieren kann«, sagt Borner. Durch seinen Kiez in Neukölln wird der Demonstrationszug am 14. April aller Voraussicht nach allerdings nicht laufen.

Angesetzt ist eine Route vom Potsdamer Platz über Kreuzberg nach Schöneberg. »Die Demonstration wird vorbereitet von vielen Initiativen, in denen sich Nachbar*innen außerparlamentarisch organisieren«, heißt es im Aufruf. Es hätten sich daher alle darauf geeinigt, Parteienbeteiligung auf der Demo abzulehnen, sagt Borner. »Das liegt vor allem daran, dass sich hier Initiativen losgesagt von der Politik zusammensetzen, weil die Politik versagt und man das jetzt selbst in die Hand nimmt.«

Im Vorfeld zur Demonstration sind unter dem Namen »ZUSAMMENSETZEN« berlinweite Aktionstage ab dem 4. April geplant. Dabei sollen die beteiligten Stadtinitiativen die Möglichkeit bekommen, in ihrem Kiez Veranstaltungen durchzuführen, erklärt Borner das Konzept. Am 13. April, dem Freitag vor der Demo, organisiert seine eigene Nachbarschaftsinitiative ein kleines Straßenfest. »Das vordringliche Problem für die Familien hier ist die Lärmbelästigung. Deshalb dreht sich beim Fest alles um Kinder, um auch ihnen eine Stimme zu geben.« Es soll zum Beispiel eine Bastelecke geben, eine Posaunenband wird spielen.

Borner gefällt an der Arbeit in der Weser-Initiative vor allem das Gefühl von Zusammenhalt. »Man zeigt sich solidarisch, wenn jemand eine Kündigung bekommt: Wir unterstützen dich, du bist hier nicht alleine im Haus, wir stehen hinter dir.«

Außerdem sei die Vernetzung in Haus und Kiez auch über die Wohnungsfrage hinaus ein Mehrwert. Durch die Initiative habe Borner Menschen kennengelernt, mit denen er sein ganzes Leben lang schon unter einem Dach gewohnt, aber noch nie ein Wort gewechselt habe. »Es macht mich einfach so glücklich, jetzt wirklich was mit den Leuten zu teilen und mich mit ihnen zu unterhalten«, sagt der Aktivist. »Darüber habe ich vorher nie nachgedacht, dass man auch mit den Nachbarn in seinem Haus zusammenkommen kann.«

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