Steinmehl auf die Felder

Wissenschaftler suchen nach Wegen zur Reduzierung von Kohlendioxid in der Atmosphäre

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Natur macht es seit Jahrmillionen vor: Das bei Vulkanausbrüchen in die Atmosphäre geschleuderte Kohlendioxid wird bei der Verwitterung von Gestein wieder gebunden bzw. langfristig im Meer gespeichert. Auf diese Weise werden der Atmosphäre jährlich rund 1,1 Milliarden Tonnen Kohlendioxid entzogen. Beschleunigt man diesen Prozess, indem man etwa Basalt oder das Mineral Dunit im großen Stil fein gemahlen auf der Erdoberfläche verteilt, lässt sich noch sehr viel mehr CO2 binden. Wie viel, das haben Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und des Hamburger Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) kürzlich in der Fachzeitschrift »Environmental Research Letters« (DOI: 10.1088/1748-9326/ aaa9c4) vorgerechnet.

»Je kleiner die Korngröße, desto besser ist die Effizienz«, erklärt Thorben Amann vom CEN, einer der beiden Autoren. Mit Steinmehl aus Basalt könnten bis zu 4,9 Milliarden Tonnen CO2 gebunden werden. Gemahlener Dunit könnte sogar bis zu 95 Milliarden Tonnen pro Jahr aufnehmen - knapp das Doppelte unseres aktuellen Kohlendioxidausstoßes. Doch Dunit hat einen großen Nachteil: Er enthält neben dem Mineral Olivin auch problematische Elemente wie Nickel und Chrom, die auf diese Weise unkontrolliert freigesetzt werden könnten. Amann und seine Kollegen konzentrieren deshalb ihre Forschung auf Basalt und nutzen Dunit nur als Referenz.

Basalt kommt überall in der Welt vor. Besonders geeignet für die Technologie scheinen jedoch die Tropen und Subtropen, wo es wärmer ist. Wenn dann noch genug Wasser vorhanden ist, können die Verwitterungsprozesse noch schneller ablaufen. Vor allem China, Indien, Südostasien oder Brasilien kämen in Frage. Amann plädiert dabei für einen dezentralen Abbau: »Je weiter das Gestein transportiert wird, desto weniger bleibt in der CO2-Bilanz übrig.«

Im Vergleich zu anderen Methoden, CO2 der Atmosphäre zu entziehen, ist die beschleunigte Verwitterung von Basalt relativ teuer: »Das liegt hauptsächlich an den hohen Energiekosten, den Transportwegen und der dafür benötigten Infrastruktur«, erklärt der Hamburger Geologe. Besonders ins Gewicht fallen die Kosten der Zerkleinerung, doch diese ist wichtig, um eine größere Oberfläche zu schaffen, die eine effizientere Verwitterung ermöglicht.

Die Technologie hätte jedoch einen positiven Nebeneffekt: Basalt enthält Phosphor und Kalium - essenzielle Elemente für Pflanzen, Tiere und Menschen. Gerade in ärmeren Regionen böte das den Menschen die Möglichkeit, Basaltgesteinsmehl auf die Äcker auszubringen und als Dünger zu verwenden. Auch Geomar-Forscher Andreas Oschlies sieht in der beschleunigten Gesteinsverwitterung ein großes Potenzial: »Die Nebenwirkungen scheinen erstaunlich gering zu sein. Die Verdünnung im Meerwasser ist so stark, dass sich dort offenbar die Chemie nicht so stark verändert.« Anders als Maßnahmen zur Reduzierung der Sonneneinstrahlung ließe sich diese Technologie jederzeit stoppen, und das gebundene CO2 könnte über Jahrtausende nicht mehr mit der Atmosphäre reagieren.

Allerdings wären riesige Mengen Gestein notwendig, um einen nennenswerten Effekt zu erreichen. Nach Berechnungen von Amann und Kollegen müssten, um nur eine Milliarde Tonnen CO2 zu binden, schon mehr als drei Milliarden Tonnen Basalt abgebaut, zerkleinert und verteilt werden. Das ist eine Menge, die knapp der Hälfte der derzeitigen weltweiten Kohleförderung entspräche. Schon deshalb sehen die Wissenschaftler in der beschleunigten Gesteinsverwitterung nicht die Technologie, die ganz allein eine Einhaltung des 1,5- oder zumindest Zwei-Grad-Ziels in greifbare Nähe rückt. »Dafür ist sie zu aufwendig und zu teuer und ihr Einfluss auf die Umwelt zu groß. Aber sie kann innerhalb des Gesamtpuzzles ein Teil sein, um die CO2-Menge innerhalb der Atmosphäre zu reduzieren«, so Amann.

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