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Kritik an Seehofer-Plänen zum Familiennachzug

Innenminister will Angehörige von Sozialhilfe-Empfängern nicht nach Deutschland lassen / Grünen-Chefin Baerbock: Kriterien sind »Bruch mit UN-Kinderrechtskonvention«

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Berlin. Der Gesetzentwurf von Innenminister Horst Seehofer (CSU) zum Familiennachzug stößt bei den Koalitionsfraktionen auf Skepsis. Bei der Entscheidung, wer nach Deutschland kommen könne, dürfe die Integrationsleistung nicht nur ein Gesichtspunkt unter vielen sein, monierte Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) in den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka rief Seehofer auf, keine Vorschläge zu machen, die über den Koalitionsvertrag hinausgehen.

Einem Bericht des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (Mittwochsausgaben) zufolge will Seehofer den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz an strenge Kriterien knüpfen. So soll etwa Empfängern von Sozialleistungen wie Hartz IV das Nachholen enger Angehöriger verwehrt werden können.

Laut Entwurf sollen lediglich Ehepartner, Eltern minderjähriger Kinder und minderjährige unverheiratete Flüchtlinge nachzugsberechtigt sein. »Sonstige Familienangehörige, einschließlich Geschwister, fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Neuregelung.« Ausgenommen vom Nachzug sollen auch Menschen bleiben, deren Ehen nicht im Herkunftsland geschlossen wurden.

Harbarth sagte den NBR-Zeitungen: »Wir wollen den Familiennachzug vor allem als Integrationsanreiz ausgestalten.« Wer sich anstrenge »und fleißig ist, wer Deutsch lernt und seinen Lebensunterhalt durch Arbeit sichert, muss beim Nachzug seiner Familien deutlich besser gestellt werden als der, der das nicht tut«.

Lischka sagte der »Rheinischen Post« (Donnerstagsausgabe), es dürften nicht weitere Gruppen vom Familiennachzug ausgeschlossen werden. »Ausschlaggebend für einen Nachzug sollten humanitäre Gründe sein, nicht der Geldbeutel der betroffenen Familien.«

Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt, sagte den NBR-Zeitungen, das Gesetz sei so »mit der SPD nicht zu machen«.

Auch bei der Opposition stießen Seehofers Pläne auf Kritik. Dessen Kriterien seien »ein erneuter Bruch mit der UN-Kinderrechtskonvention«, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock den RND-Zeitungen (Donnerstagausgaben). Wenn das Ringen der SPD um eine humane Flüchtlingspolitik ernst gemeint gewesen sei, brauche es ein unverzügliches Veto der Sozialdemokraten.

FDP-Chef Christian Lindner lobte zwar grundsätzlich die geplante Begrenzung des Familiennachzugs. »Ich begrüße eine restriktive Handhabung des Familiennachzugs«, sagte Lindner den RND-Donnerstagsausgaben. Die Zahl 1000 sei aber eine »willkürliche Setzung, die ausdrücklich nicht in jedem Monat erreicht werden sollte«. Seehofers Entwurf fehle außerdem eine positive Komponente, »die Integrationsleistung anreizt und honoriert«.

Der Familiennachzug ist für Flüchtlinge mit dem eingeschränkten subsidiären Schutz seit zwei Jahren ausgesetzt. Er soll ab August für monatlich 1000 Angehörige sowie Härtefälle wieder ermöglicht werden, wie Union und SPD vereinbart hatten. Bundesrat und Bundestag haben einem entsprechenden Gesetz bereits zugestimmt.

Nach welchen Kriterien diese maximal 1000 Menschen ausgewählt werden, soll das jetzige Gesetz Seehofers regeln. Dem RND-Bericht zufolge sollen lediglich Ehepartner, Eltern minderjähriger Kinder und minderjährige unverheiratete Flüchtlinge nachzugsberechtigt sein. Ausgenommen vom Nachzug sollen auch Menschen bleiben, deren Ehen nicht im Herkunftsland geschlossen wurden.

Vorgesehen ist demnach zudem die Möglichkeit, »den Nachzug von Familienangehörigen zu zurückgekehrten Dschihadreisenden, terroristischen Gefährdern, Hasspredigern und Leitern verbotener Vereine zu versagen«.

Dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zufolge soll künftig pro Jahr eine Obergrenze zwischen 180.000 und 220.000 Zuwanderern gelten. »In dieser Spanne soll auch der Familiennachzug berücksichtigt werden«, heißt es dem Bericht zufolge im Gesetzentwurf. Derzeit läuft die Abstimmung zwischen den Ministerien der Bundesregierung. Danach soll der Entwurf vom Bundeskabinett beschlossen werden. Agenturen/nd

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