Haus Seehofer wiegelt ab

SPD sieht in Entwurf zu Familiennachzug Verstoß gegen Koalitionsvertrag

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Streit um den Familiennachzug von Bürgerkriegsflüchtlingen nach Deutschland wächst sich zu einem handfesten Koalitionskrach aus. Bundesaußenminister Heiko Maas ließ es sich auf seinem Staatsbesuch in Jordanien nicht nehmen, in der deutschen Botschaft in Amman nachzufragen, wie es um die praktische Anwendbarkeit des Gesetzentwurfs aus dem Bundesinnenministerium stünde, der sich derzeit in der Kabinettsabstimmung befindet. Die SPD werde »ganz sicherlich keinen Entwürfen zustimmen«, die darauf zielten, das vereinbarte Kontingent von 1000 Angehörigen pro Monat noch zu verringern. Das gelte auch, wenn das Gesetz für die Bearbeiter von Anträgen in den deutschen Botschaften vor Ort nicht praktikabel sei.

Der Verdacht, dass das Ministerium von Horst Seehofer (CSU) darauf bedacht sei, das im Koalitionsvertrag vereinbarte und von Menschenrechtlern als zu niedrig kritisierte Kontingent von Angehörigen noch zu drücken, war durch Berichte geschürt worden, nach denen es den Betroffenen gezielt erschwert wird, nach Deutschland zu gelangen. So soll ein Nachzug zu Personen ausgeschlossen sein, die von Hartz IV leben. Auch Geschwisterkinder nach Deutschland geflohener Minderjähriger sollen ausgeschlossen werden. Eingeführt wird eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren für Schleuser, die minderjährigen Flüchtlinge ohne Elternteil ins Bundesgebiet verhelfen. Damit solle der »Anreiz« weiter reduziert werden, dass Eltern ihre Kinder unter Gefährdung des Kindeswohls auf die gefährliche Reise nach Deutschland vorschicken, wie es im Gesetzestext heißt.

Das Bundesinnenministerium stellte den Entwurf am Donnerstag als getreue Umsetzung des Koalitionsvertrages von Union und SPD dar. Der Entwurf ändere die bestehende Gesetzeslage nicht. Tatsächlich ist im neuen wie schon im alten Aufenthaltsgesetz festgehalten, dass der Familiennachzug verweigert werden kann, wenn die Bezugsperson in Deutschland Hartz-IV-Leistungen bezieht. Der extra für subsidiär Schutzberechtigte eingefügte Artikel 36a im neuen Gesetz erwähnt diese Einschränkung nicht extra. Sie solle keine Anwendung auf subsidiär Schutzberechtigte finden, hieß es aus dem Ministerium.

Dagegen ist die Beschränkung des Familiennachzugs auf die Kernfamilie - Ehegatten, Eltern, Kinder - im neuen Gesetz rigider gehandhabt. Auch wenn das Bundesinnenministerium von unveränderter Rechtslage spricht, legt der neu eingefügte Artikel 36a nun eindeutige Beschränkungen auf den genannten Personenkreis fest. Im noch geltenden Aufenthaltsgesetz heißt es hingegen: »Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist.«

Die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis widersprach der Auffassung, der Gesetzentwurf entspreche dem Koalitionsvertrag. »Da haben wir eine andere Lesart«, sagte sie im Deutschlandfunk. Seehofers Vorgehensweise sei »auch dem Wahlkampf in Bayern geschuldet«, meinte die Sprecherin der Parteilinken DL 21. Pro Asyl sprach in einer Erklärung vom Versuch Seehofers »auszutesten, inwieweit man mit dem Koalitionspartner SPD Schlitten fahren kann«. Der Entwurf enthalte keine klaren Aussagen, nach welchen Kriterien Menschen in das Kontingent von 1000 Personen aufgenommen werden. »Offenbar soll auch noch eine Art Gnadenrecht möglichst unpräzise bleiben - viel Platz für Schikanen nach Ermessen der Ausländerbehörden.«

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