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Bundeshaushalt: Sparen auf Kosten der Ärmsten
Die Bundesregierung kürzt trotz wachsenden Bedarfs bei der Entwicklungsfinanzierung
Der Haushalt 2025 ist noch nicht verabschiedet, der Haushaltsentwurf für 2026 noch in der Diskussion, doch eines ist bereits klar: Die geplanten Kürzungen werden Konsequenzen haben – für viele Menschen im Globalen Süden auch tödliche. Derzeit sind rund 320 Millionen auf der Welt auf akute humanitäre Hilfe angewiesen, beschreibt Thorsten Klose-Zuber in einem Hintergrundgespräch des Bundesverbands entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen (Venro) die Lage. Schon jetzt würden über 200 Millionen dieser akut hilfsbedürftigen Menschen nicht erreicht, sagt der Generalsekretär der humanitären Hilfsorganisation Help – Hilfe zur Selbsthilfe, die auch in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig ist. Deutschland erreichte mit seiner akuten Hilfe bisher immerhin 13 Millionen Menschen. Künftig werden es weit weniger sein: »Knapp sieben Millionen der 13 Millionen Menschen könnten wegen der geplanten Kürzungen künftig nicht mehr mit humanitärer Hilfe versorgt werden«, blickt Klose-Zuber voraus.
Düsteres Zukunftsszenario
Wie düster das Szenario für die nähere Zukunft aussieht, macht Klose-Zuber anhand eines Schaubildes klar: Demnach wurden 2024 sage und schreibe 46,9 Prozent der globalen Humanitären Hilfe von den USA finanziert und elf Prozent von Deutschland. Die USA fallen unter Trump seit 2025 bekanntlich fast komplett aus und Deutschland kürzt. Betrug die humanitäre Hilfe 2022 noch 3,14 Milliarden Euro, so sind im Haushalt 2025 nur noch 1,04 Milliarden Euro angesetzt, zwei Drittel weniger als vor drei Jahren und nicht einmal mehr halb so viel wie 2024 mit 2,23 Milliarden Euro – exakt 53 Prozent weniger. Abstrakte Zahlen mit konkreten Folgen, so Klose-Zuber: Allein wegen der Kürzungen aus Deutschland würden 4,3 Millionen Menschen keine Ernährungshilfe mehr erhalten, 1,5 Millionen Menschen weltweit den Zugang zu Basisgesundheitsleistungen verlieren, 1,4 Millionen den Zugang zu einer gesicherten Trinkwasserversorgung und über eine halbe Million Kinder den Zugang zu Bildung. Und die Kürzungen der USA sind noch gewichtiger: Sie könnten laut einer Studie des medizinischen Fachjournals »The Lancet« bis 2030 zum Tod von rund 14 Millionen Menschen führen.
In Deutschland sind auch für 2026 weitere Kürzungen bei den Entwicklungsausgaben geplant – darüber dürfte im Bundestag noch gestritten werden. Laut dem Haushaltsentwurf sollen die Gelder für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 2026 um 331 Millionen Euro auf 9,94 Milliarden Euro gekürzt werden, was einem Minus von mehr als drei Prozent im Vergleich zu 2025 und über elf Prozent im Vergleich zu 2024 entspricht.
Michael Herbst, Vorstandsvorsitzender bei Venro, hat kein Verständnis für den Kurs der Bundesregierung. »Es braucht einen Paradigmenwechsel bei der Bereitstellung staatlicher Gelder für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe.« Zumal, so Herbst im Hintergrundgespräch, die mittelfristige Finanzplanung ein weiteres dramatisches Absinken des Budgets vorsähe: auf 9,4 Milliarden Euro. Deutschland entferne sich von der vor 55 Jahren international vereinbarten Zielmarke, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung, des sogenannten Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungsleistungen und humanitäre Hilfe bereitzustellen. Ein Ziel, das die Bundesregierung erst im Juni auf der 4. UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Sevilla rhetorisch noch einmal bestätigt hat.
Überzeugungsarbeit bei den Abgeordneten
In den kommenden Wochen und Monaten will Venro laut Herbst bei den Bundestagsabgeordneten Überzeugungsarbeit leisten: Mindestens 2,5 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe sowie mindestens 11,2 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit müssten budgetiert werden, statt wie bisher vorgesehen 1,05 Milliarden und 9,94 Milliarden. Und mindestens 0,2 Prozent des BNE hierzulande müssten in die ärmsten Länder der Welt (LDC) fließen, vor allem durch mehr Mittel für landwirtschaftliche Entwicklung und Ernährungssicherung. Aber auch bei der internationalen Klimafinanzierung müsste auf mindestens 7 Milliarden Euro aufgestockt werden, die Mittel zur Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit mindestens auf dem Niveau von 2024 beibehalten und mindestens 100 Millionen Euro für gendertransformative, intersektionale und postkoloniale feministische Vorhaben eingeplant werden.
Die ganzen Summen klingen nach viel, bei Lichte betrachtet ist es überschaubar. Auf 100 bis 200 Milliarden Euro pro Jahr wird die Steuerhinterziehung in Deutschland geschätzt. Und unabhängig davon gibt es Möglichkeiten der Gegenfinanzierung, auf die Dorothee Baldenhofer von Venro aufmerksam machte. Die für haushaltspolitische Fragen zuständige Referentin verwies auf das Potenzial von vermögensbasierten Steuern wie einer Erbschaftssteuer oder eine Milliardärssteuer für besonders vermögende Einzelpersonen. Auch die klimaschädlichen Subventionen, die sich laut Umweltbundesamt auf 65 Milliarden Euro pro Jahr beliefen, böten viel Spielraum. Und last but not least nannte Baldenhofer die Möglichkeit der Mittelumwidmung aus dem Einzelplan 60. Dort finden sich Mittel, die nicht einem einzelnen Ressort zugeordnet werden können. Politischer Wille vorausgesetzt, könnten sie in entwicklungspolitische Belange und die humanitäre Hilfe fließen. Der Haushaltsentwurf 2026 lässt einen solchen Willen nicht erkennen. Venro hat noch viel Arbeit vor sich.
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