Initiative Bizim Kiez: Staatsschutz beobachtet uns

Nach Logik der Sicherheitsbehörden scheint die Hälfte der Stadt als linksradikal zu gelten, heißt es seitens der Kreuzberger Initiative

  • Lesedauer: 3 Min.

Bizim Kiez ist schon am Mittwoch, gleich zum Auftakt der Aktionswochen vor der großen Mieterdemo am 14. April, auf die Straße gegangen. Was haben Sie gemacht?

Wir sind mit Stühlen, Staubsaugern und weiteren Haushaltsgegenständen ans Schlesische Tor gezogen. In den Fußgänger-Ampelphasen haben wir uns dann dem Lauf der Dinge widersetzt und Schilder hochgehalten, auf denen die Zahlen stehen, mit denen wir für die große Demo mobilisieren. Zum Beispiel, dass 85 Prozent der Menschen in Berlin Mieter sind, dass 93 Prozent Wohnen für ein Menschenrecht halten oder dass Neuvertragsmieten seit 2008 um 76 Prozent gestiegen sind.

Wie waren die Reaktionen auf die Aktion?

Durchgehend sehr positiv. Selbst Autofahrer, die wegen uns warten mussten, haben uns den hochgereckten Daumen gezeigt. Das Thema Mieten und Verdrängung bewegt einfach sehr viele Menschen in der Stadt. Irgendwann sind fünf Polizeiwannen vorgefahren. Die Polizisten waren ziemlich irritiert und wussten nicht so recht, was sie machen sollten. Wir hatten ja nichts Verbotenes gemacht.

Macht der Mieterprotest etwa die Sicherheitsbehörden nervös?

Offensichtlich. Die Mieterbewegung wird anscheinend vom Staatsschutz beobachtet, bei Veranstaltungen haben wir immer wieder deren Mitarbeiter erkannt. Nach deren Logik scheint die Hälfte der Stadt als linksradikal zu gelten.

Die Demo scheint wirklich groß zu werden. 167 Gruppen haben sich auf der Internetseite bereits zu Aktionen angemeldet.

Der Protest ist auch kein typisches Aktivistenprojekt. Das Spektrum reicht von Seniorenvereinen bis zu Kindergruppen. Von bürgerlich bis sehr links hat sich ein ziemlich breites Bündnis formiert von allen, die verstanden haben, dass Mieten und Verdrängung ein großes gesellschaftliches Thema ist, das sozialen Sprengstoff birgt. Und es ist nicht nur ein Berliner Problem. Auch aus anderen Städten wollen Gruppen zu der Demo kommen.

Der Protest richtet sich vor allem gegen die Politik auf Bundesebene.

Wenn wir auf lokaler Ebene versuchen, die Situation für die Mieter zu verbessern, stoßen wir immer an die Decke. Das Mietrecht, die energetische Sanierung, das Gewerbemietrecht, das kleinen Ladeninhabern überhaupt keinen Schutz gewährt, all diese Gesetze werden auf der Bundesebene gemacht. Auch der löchrige Milieuschutz gehört dazu.

Wie steht es mit dem rot-rot-grünen Senat?

Manche in den Initiativen verstehen die Koalition als Zeitfenster für die Möglichkeit, um linkere Politik umsetzen zu können. Uns nervt, dass die Koalition auch nach fast anderthalb Jahren keinen gemeinsamen Teamgeist entwickelt hat. Die immer noch nicht umgesetzte Reform des Sozialen Wohnungsbaus ist ganz typisch dafür. Im Ergebnis gibt nun jede der drei Parteien ein eigenes Papierchen mit Empfehlungen heraus. In dem Punkt verhalten sich SPD, LINKE und Grüne wie Oppositionsparteien. Wir erwarten lösungsorientierte Arbeit. Auch der große Konflikt zwischen dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) beim Thema Bauen ist extrem kontraproduktiv.

Und auf Bezirksebene?

Der Grüne Baustadtrat Florian Schmidt macht in Friedrichshain-Kreuzberg das, was wir seit drei Jahren laut einfordern. Beim Vorkaufsrecht wird hier tatsächlich ausprobiert, was alles gemacht werden kann. Sein Amtsvorgänger war sehr ängstlich. Wenn Prozesse drohten, wurde es oft nicht gemacht. Das hat natürlich auch mit der erstarkten Mieterbewegung zu tun. Wir haben das Gefühl, dass es hier im Bezirk in die richtige Richtung geht. Auch in der Frage, wie mit den Initiativen zusammengearbeitet wird.

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