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Angriff zum orthodoxen Osterfest

Moskau will »hart« auf neue US-Sanktionen antworten / Keine Einreise für Skripals Nichte

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Besserung des Gesundheitszustandes von Sergej Skripal und seiner Tochter Julia gehörte zum russisch-orthodoxen Osterfest am Wochenende zu den besseren Botschaften. Zu den schlechteren musste gezählt werden, dass Washington neue Sanktionen wegen »andauernder und immer dreisterer boshafter Aktivitäten der russischen Regierung überall in der Welt« verhängte und eine Verschärfung der äußerst angespannten Beziehungen als sicher gelten muss.

So kündigte das Außenministerium in Moskau, ganz nach dem Muster der »spiegelbildlichen Antwort« auf die jüngste Massenausweisung russischer Diplomaten, noch am Freitagabend eine »harte Antwort« an. Die zuvor von den USA gegen russische Firmen, Politiker und Geschäftsleute verhängten Sanktionen wurden in einer Erklärung aus dem Hause des Außenministers Sergej Lawrow als nichts weniger, denn ein »anti-russischer Angriff« bewertet.

Der »Nowaja Gasjeta« blieb die Einschätzung überlassen, die Kreml-Liste sei »aus einem Telefonbuch zu einem realen Instrument der Einflussnahme auf die russische Finanzelite« gemacht worden. Das Außenministerium am Smolensker Platz kriminalisierte das US-Vorgehen unmissverständlich: »Washington vergisst, dass die Beschlagnahme von Privateigentum und Geld Diebstahl ist.« Mit den Maßnahmen gegen russische Unternehmen versuche die US-Regierung, »Konkurrenten auf dem Weltmarkt zu eliminieren«.

Zeichen, dass Moskau nun klein beigeben werde, wurden nicht gesetzt. Die USA müssten begreifen, dass sich Russland »durch keinerlei Zwangsmaßnahmen von seinem Kurs abbringen« lasse, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums. Dies umso weniger, da Moskau auch für seine von US-Finanzminister Steven Mnuchin beanstandeten »boshaften Cyberaktivitäten« Beweise fordert. Versuche, per Einflussnahme auf Wahlen »westliche Demokratien zu untergraben«, mag auch in Russland manch einer inzwischen eher in der Weitergabe der Daten von bis zu 87 Millionen Nutzern von Facebook an die britische Firma Cambridge Analytics sehen. Die war schließlich wirklich für den US-Wahlkampf des Kandidaten Donald Trump engagiert.

Allerdings dürfte in Russland die Wahl des Zeitpunktes der Attacke erneut übel aufstoßen. Denn die Sanktionen konnten am Vorabend des Osterfestes nach dem Julianischen Kalender nur als zumindest besonders unfreundlicher Akt verstanden werden. Als höchst geschmacklos war bereits die Bekanntgabe der Ausweisung russischer Diplomaten ausgerechnet zum Brandunglück und der Staatstrauer um die mehr als 60 Opfer in der sibirischen Stadt Kemerowo aufgenommen worden.

Zu den unerfreulichen Nachrichten war auch die Verweigerung eines britischen Visums für die Nichte Viktoria des früheren russisch-britischen Doppelagenten im Obristenrang zu zählen. Der Osterbotschaft des Patriarchen Kirill, den Nächsten Liebe, Sorge und Aufmerksamkeit zu schenken, vermochte die nahe Verwandte aus Moskau bisher leider nicht zu folgen. Sie sah sich vielmehr Verdächtigungen ausgesetzt, im Dienste des Kreml Londoner Schuldsprüche bezweifeln zu wollen oder gar selbst Geheimdienstlerin zu sein. Gegenüber dem russischen Dienst der BBC forderte auch sie für solche Behauptung Beweise - bislang blieb einen Antwort aus..

Allerdings vermutet Viktoria Skripal ihrerseits laut dem Internetportal gaseta.ru , dass London ihre Einreise nach Großbritannien bewusst verhindern wolle. Nachdem Dutzende willige Verbündete von Großbritannien für eine Art diplomatischer Lynchjustiz an Russland aufgeboten wurden, kommt der Umgang mit den Antragsdokumenten doch recht kleinlich daher. Die Zeitung »Iswestija« zitierte als Gründe für die konsularische Absage, die Nichte habe auch vorher die Skripals nicht besuchen wollen, Sergej wünsche keine Besucher, und es sei nicht sicher, ob Julia sie empfangen wolle sowie: »Es wurden nicht genügend Geldmittel nachgewiesen«.

Die russische Botschaft in London meinte, Viktoria habe das Recht zu einem Krankenbesuch, doch werde sie ebenso fern gehalten wie die Öffentlichkeit, Journalisten und Mitarbeiter des Konsulats. Das wiederum heiße: »Großbritannien hat etwas zu verbergen.« Düster orakelte Maxim Litwinenko, Bruder des vor zwölf Jahren in London an einer Strahlenvergiftung durch Polonium 210 gestorbenen russischen Überläufers zum britischen Geheimdienst, Alexander Litwinenko, im Sender REN TV, der Zustand Julia Skripals könne sich wieder verschlechtern, wenn sie nicht Partei für die britische Seite ergreife. Denn Moskau seinerseits mag die Beteiligung britischer Geheimdienste an dem Anschlag ebenfalls nicht ausschließen.

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