Vier Millionen Euro für eine Hochzeit im Harz

Niedersachsen: Fusion von vier Tourismusorten vorgeschlagen

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 3 Min.

Leerstände, Kneipensterben, Überalterung: In vielen Städten und Gemeinden im niedersächsischen Westharz ist die Lage desolat. Die jungen Leute ziehen weg, mehrere Kommunen haben seit 1990 und dem anschließenden Wegfall der Zonenrandförderung der alten Bundesrepublik ein Viertel ihrer Bewohner verloren. In Bad Lauterberg lebten 1972 rund 15 000 Menschen, jetzt sind es noch 10 000, bis zum Jahr 2030 ist ein Rückgang der Einwohnerzahl um weitere zweitausend Bürger prognostiziert.

Vor diesem Hintergrund hat der Bürgermeister von Braunlage, Stefan Grote (SPD), jetzt eine Fusion seiner kleinen Stadt mit den Städten Bad Lauterberg und Bad Sachsa sowie der Harz-Gemeinde Walkenried vorgeschlagen. Neben der schlechten Kassenlage in den vier Kommunen und ihren düsteren demografischen Aussichten führt Grote die gerade erfolgte Amtsaufgabe seines Kollegen Axel Hartmann (CDU) aus Bad Sachsa an - der frühere deutsche Botschafter in der Slowakei war zum 31. März aus gesundheitlichen Gründen von seinem Posten als Verwaltungschef zurückgetreten. Weil der Job in Bad Sachsa im Moment also vakant ist und der dortige Stadtrat noch keinen Nachfolger für Hartmann gewählt hat, stünde jetzt das Zeitfenster für eine Fusionsentscheidung offen.

Grote hat auch schon ausgerechnet, dass eine neue Groß-Kommune mit dann rund 28 000 Einwohnern dank der Schlüsselzuweisungen des Landes Niedersachsen vier Millionen Euro mehr Einnahmen hätte, als die vier Orte bislang zusammen haben. Durch den Wegfall von drei hauptamtlichen Bürgermeistern könnten zudem jedes Jahr 300 000 Euro eingespart werden. Nicht zuletzt ließen sich die touristischen Attraktionen, Wander- und Wintersportgebiete gemeinsam besser vermarkten als einzeln.

Zumindest bei seinem Amtskollegen und Parteifreund Thomas Gans aus Bad Lauterberg stößt Grote mit seinem Vorstoß auf offene Ohren. Dass kleine Kommunen den Wunsch nach Zusammenlegung hätten, sei logisch, sagt Gans. »Wenn man größer ist, ist man auch schlagkräftiger.« Er verweist auf schon länger bestehende Überlegungen für ein Zweier-Bündnis aus Bad Lauterberg und Bad Sachsa. Allerdings gelte es nun, erst einmal abzuwarten, wie sich die Kommunalpolitiker in Bad Sachsa positionierten. Wenn sie sich für eine Neuwahl des Bürgermeisters entschieden, so Gans, hätten sich die neuen Fusions-Überlegungen wohl schon erledigt. Bevor sich die vier Kommunen zusammentun, müssten sie aber noch eine größere Hürde überwinden: Sie gehören nämlich zu unterschiedlichen Landkreisen - Braunlage zum Kreis Goslar, die anderen drei Gemeinden zum Kreis Göttingen. Grote möchte, dass eine fusionierte Groß-Gemeinde dem Kreis Goslar zugeschlagen wird. Dann nämlich seien alle touristisch relevanten Projekte im Westharz in diesem Landkreis vereinigt. Grote hat das niedersächsische Innenministerium gebeten, Gespräche zwischen den Kommunen und den beiden beteiligten Landräten zu moderieren.

Diese zeigen sich aufgeschlossen. Goslars Landrat Thomas Brych (SPD) nennt den Vorstoß »eine interessante Idee«. Sein Kollege Bernhard Reuter (SPD) aus Göttingen sagte: »Die Städte und Gemeinden entscheiden selbst, ob sie fusionieren wollen, niemand sonst. Wenn es einen entsprechenden Vorschlag gibt, dann reden wir über die Kreiszugehörigkeit, nicht umgekehrt.«

Fusionen von kommunalen Körperschaften sind in Niedersachsen nicht neu. Schon im Jahr 2011 schlossen sich im Harz Braunlage und St. Andreasberg zusammen, 2016 die Kreise Osterode und Göttingen zum Landkreis Göttingen. Goslar fusionierte schon mit Vienenburg, Helmstedt mit der Gemeinde Büddenstedt. Manchmal gingen Fusionen aber auch schief: 2014 scheiterte ein Zusammenschluss von Bad Sachsa und Walkenried am Einspruch der Ratsmehrheiten. Beide Kommunen sind bei Grotes Vierer-Modell jetzt wieder mit dabei.

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