Werbung

David gegen Wendy’s

Eine niederländische Pommesbude wehrt sich gegen den US-Fastfoodriesen Wendy’s - bisher mit Erfolg

  • May Naomi Blank
  • Lesedauer: 4 Min.

Ende der 1980er Jahre öffnet der Niederländer Raymond Warrens einen Imbiss im niederländischen Städtchen Goes. Er nennt den Laden Wendy’s - nach seiner ältesten Tochter. Was er zu dem Zeitpunkt nicht weiß: Es gibt noch ein Wendy’s auf der anderen Seite des Atlantiks. Auch dessen Geschichte begann mit einer Tochter; 1969 gründete der Amerikaner Dave Thomas ein Schnellrestaurant in Ohio und verpasst ihm den Spitznahmen seiner achtjährigen Tochter Melinda Lou: Wendy’s Old Fashioned Hamburgers. Während Raymond seinen Imbiss im Herzen Zeelands betreibt, startet Thomas ein Fastfoodimperium mit über 6500 Restaurants in 30 Ländern und einem Milliardenumsatz. Nur nicht in den Benelux-Staaten. Dort behauptet sich Warrens seit 18 Jahren juristisch gegen Wendy’s International.

Das niederländische Wendy’s liegt auf einer Halbinsel 50 Kilometer von der belgischen Grenze, auf der Bahnstrecke zwischen Roosendaal und Vlissingen. Auf der einen Seite fließt die Wester-, auf der anderen Seite die Oosterschelde. Die Niederländer nennen diesen Teil des Landes den Bibel-Gürtel - in Anlehnung an den religiösen Bible Belt in den USA. Die wirtschaftlichen Standbeine von Goes sind eine Pommes- und eine Leimfabrik.

Pommes gibt es auch bei Wendy’s, dazu Fish and Chips, Softeis, Burger und Cola. Kein großer Unterschied zum Sortiment des Fastfoodriesen aus Amerika. Der Betrieb aus Ohio jedoch hat Expansionsbestrebungen. Erst eroberte er die USA, dann eröffnete Thomas weltweit Filialen, zuletzt in Guatemala, Indonesien, Japan und Malaysia. Alles lief wie geschmiert, bis er den Markt der Benelux-Länder erobern wollte. Dort traf Wendy’s auf Wendy’s.

Es gibt zwei Versionen der Geschichte. Die erste wird aus Warrens Perspektive erzählt. Am 16. Februar 1995 um 23.59 Uhr ließ er beim Benelux Office for Intellectual Property den Markennamen Wendy’s unter der Nummer 0565037 registrieren. Als er bei der Handelskammer anfragt, ob es einen Betrieb mit gleichem Namen gibt, bekommt er eine negative Rückmeldung. Belgien, die Niederlande und Luxemburg haben ein gemeinsames länderübergreifendes Markenrecht. Nach der Registrierung bekommt Warrens Post aus Amerika. Die Nutzung des Namens Wendy’s sei einzustellen.

Die zweite Version der Geschichte beginnt zwei Jahrzehnte zuvor. In den 1970er und 1980er Jahren eröffnete die US-Kette einige Restaurants im Benelux-Raum, jedoch ohne ökonomischen Erfolg. Die letzte Filiale ging 1986 in Rotterdam pleite. Trotzdem wurde damals ein Markenname registriert. Als der Fastfoodgigant 1995 erfuhr, dass einer Pommesbude aus Zeeland das Recht auf die Marke für den gesamten Benelux-Raum zugesprochen wurde, reagierte man mit einem Anschreiben und registrierte im Dezember desselben Jahres den Markennamen Wendy’s beim European Intellectual Property Office.

Das ließ sich der Zeeländer nicht bieten. Albert van der Hoek, Mitarbeiter der Snackbar in Goes, erzählt: »Mein Boss ist ein Prinzipienreiter. Niemand kann ihm vorschreiben, was er auf seinen Hausgiebel schreiben darf oder nicht.« Warrens ging zum Gegenangriff über und stellte am 13. Juli 1998 einen verfahrenseinleitenden Antrag, um zu bewirken, dass dem US-Betrieb ein Verbot für die Nutzung des Handelsnamens und der Marke Wendy’s erteilt wird. Im Jahr 2000 kam es zum ersten Gerichtsprozess, ein weiterer folgte 2017. Der Fastfoodriese arbeitet mit der internationalen Anwaltskanzlei Hoyng Rokh Monegier zusammen, mit Topanwälten und Büros in mehreren europäischen Hauptstädten.

Dennoch entschied das niederländische Gericht zugunsten des Imbissbesitzers aus Goes: Die Markenregistrierung der Snackbar geschah zwar neun Jahre nach der Registrierung des US-Unternehmens. Doch obwohl Markenregistrierungen normalerweise zehn Jahre lang gültig sind, sei das Recht auf die Marke für Wendy’s International verfallen, weil sie für längere Zeit keine Filialen im Benelux-Raum in Betrieb hatte.

Die US-Fastfoodkette ging in Berufung; ihre Argumentation lautet, dass auch Raymond Warrens mit nur einem Imbiss den Markennamen nicht genügend nutzen würde, so dass sein Recht auf den Namen ebenfalls erlöschen müsse. Die Streitsache ist immer noch in der Verhandlung. Aber Warrens gibt nicht klein bei und hat im vergangenen September eine zweite Filiale eröffnet: Wendy’s aan de Zeelandbrug.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal