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Umfrage: Mehrheit für solidarische Pflegeversicherung
Unmut über Verarmung durch Pflege im Osten besonders hoch
Berlin. Ein Bündnis von Verbänden und Gewerkschaften wirbt für eine Pflegevollversicherung, die sämtliche Pflegekosten übernimmt. Rund 65 Prozent Zustimmung erhält eine solche Versicherung bei einer von dem Bündnis in Auftrag gegebenen Umfrage, wie die Verbände mitteilten. Besonders im Osten sei die Zustimmung hoch, so Susanna Karawanskij, Präsidentin der Volkssolidarität. »Hier sind viele Menschen aufgrund niedrigerer Einkommen und Renten stärker auf verlässliche Unterstützung im Pflegefall angewiesen.« Für eine verpflichtende private Zusatzversicherung spricht sich nur eine Minderheit von 18 Prozent aus. Die repräsentative Forsa-Umfrage wurde im Oktober erstellt.
Die Bevölkerung habe verstanden, dass Pflege nicht in Armut führen dürfe, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Joachim Rock. »Umfragen und Studien zeigen: Eine Pflegevollversicherung ist nicht nur von der absoluten Mehrheit gewünscht, sondern auch gut finanzierbar,« so IG-Metall-Sozialvorstand Hans-Jürgen Urban.
Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler fordert, Union und SPD müssten die Pflegeversicherung nun so weiterentwickeln, dass sie alle pflegebedingten Kosten abdeckt. Das Bündnis hatte ein gesundheitsökonomisches Gutachten in Auftrag gegeben, das eine Pflege-Bürgerversicherung umreißt. Einbezogen wird in dem Modell die gesamte Bevölkerung. Außerdem schlagen die Autoren vor, die Beitragsbemessungsgrenze deutlich zu erhöhen. Mit so erzielten höheren Anteilen von Besserverdienenden soll der Beitragssatz sinken können.
»Pflege ist leider immer noch ein akutes Armutsrisiko für viel zu viele Menschen.«
Anja Piel Deutscher Gewerkschaftsbund
»Pflege ist leider immer noch ein akutes Armutsrisiko für viel zu viele Menschen. Überbrückungskredite und private Zusatzbelastungen werden das Risiko nicht auflösen. Wichtiger ist, die Eigenanteile in der Pflege sofort zu deckeln, um die Not vieler Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen zu lindern«, forderte Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds.
Derzeit müssen Pflegebedürftige im ersten Jahr ihres Aufenthaltes in einem Pflegeheim durchschnittlich rund 3100 Euro pro Monat selbst aufbringen. Davon entfallen auf die pflegerische Versorgung rund 1600 Euro, der Rest setzt sich zusammen aus Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten.
Mehr als ein Drittel aller Pflegebedürftigen in Heimen ist auf Sozialhilfe angewiesen, Tendenz steigend. Pflegebedürftige sind besonders stark von Armut bedroht, weil sie die finanzielle Belastung mit ihren durchschnittlichen Alterseinkünften nicht schultern können. nd/Agenturen
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