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  • Entfristung von Arbeitsverträgen

Druck auf die Post steigt

Bund will Einfluss auf Entfristungsregeln der Deutschen Post nehmen / DGB-Chef Hoffmann: Vorgehen ist »höchst verwerflich«

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Berlin. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, sagte, er sei sehr froh, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz als Anteilseigner der Deutschen Post auf Veränderungen bei der Einstellungspraxis dringen wolle. »Es ist arbeitsrechtlich nicht angreifbar, aber es ist moralisch höchst verwerflich«, sagte Hoffmann am Montag in Berlin. »Es ist an der Zeit, dass mit diesem Unfug aufgeräumt wird.« Scholz solle sich aber darüber hinaus auch bei der Telekom einschalten, wenn diese in den USA Tarifvereinbarungen verweigere.

Zuvor hatte das Bundesfinanzministerium die umstrittene Einstellungspraxis bei der Deutschen Post als »nicht hinnehmbar« bezeichnet. Das Ministerium werde sich in Gesprächen mit der Post einen Überblick über die Lage verschaffen, sagte eine Sprecherin am Montag in Berlin. Der Bund werde dann im Rahmen seiner Möglichkeiten als Anteilseigner darauf hinwirken, dass sich die Praxis ändere. Das Ministerium werde daneben prüfen, ob bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung ähnliche Sachverhalte vorliegen.

Die »Bild am Sonntag« hatte berichtet, dass die Deutsche Post die Entfristung von Arbeitsverträgen von den Krankheitstagen eines Mitarbeiters abhängig macht. Ein Sprecher der Post in Bonn bestätigte den Bericht. Demnach dürfen Mitarbeiter in zwei Jahren nicht häufiger als sechsmal krank gewesen sein beziehungsweise nicht mehr als 20 Krankheitstage angehäuft haben. Weiter dürfen Mitarbeiter »höchstens zwei selbstverschuldete Kfz-Unfälle mit einem maximalen Schaden von 5000 Euro« verursachen. Außerdem dürften Postboten in drei Monaten nicht mehr als 30 Stunden länger für ihre Touren gebraucht haben als vorgesehen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte daraufhin in der ARD-Talkshow »Anne Will« am Sonntagabend gesagt, die Bundesvertreter im Aufsichtsrat der Post hätten deswegen bereits Gespräche mit der Konzernführung vereinbart. Ein Post-Sprecher teilte dazu mit, das Unternehmen sei im regelmäßigen Austausch mit seinem Hauptanteilseigner und werde Fragen zu Entfristungen natürlich beantworten. Der Bund hält über die staatliche KfW-Bank rund 20 Prozent an der Post.

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Auf Anfrage bestätigte der Post-Sprecher den Bericht der »Bild«, erklärte aber: »Die Kriterien berücksichtigen ausgewogen, nachvollziehbar und an objektiven Merkmalen orientiert die Interessen des Unternehmens, der Kunden und natürlich der Beschäftigten selbst und bewegen sich im Übrigen im geltenden rechtlichen Rahmen.«

Innerhalb des vergangenen Jahres habe die Post rund 9000 befristete Arbeitsverhältnisse in unbefristete überführt. Dieses Jahr habe der Konzern bereits 2500 unbefristete Stellen geschaffen.

Insgesamt arbeiten für die Post laut Geschäftsbericht rund 180.000 Menschen in Deutschland. Wieviele davon befristete Verträge haben, wollte der Konzern auf Anfrage der »Bild am Sonntag« nicht mitteilen. In der Zeitung hatten bereits Grüne und CDU den Kriterienkatalog kritisiert.

DGB: 44 Prozent der Neueinstellungen sind befristet

DGB-Chef Hoffmann äußerte sich während der Vorstellung des vom DGB herausgegebenen »Atlas der Arbeit« am Montag. Der 64-seitigen Studie »Atlas der Arbeit« zufolge erhalten 44 Prozent der neu eingestellten Mitarbeiter in Deutschland befristete Verträge. Bei den unter 35-Jährigen lebten mehr als 60 Prozent mit dieser Ungewissheit. Im Öffentlichen Dienst oder im Wissenschaftsbetrieb sei das sogar die Regel. Und nur jeder zweite Beschäftigte arbeite in einem tarifgebundenen Betrieb. Ein Achtel der Erwerbstätigen habe einen Minijob oder einen Ein-Euro-Job.

Ferner sorgten die Digitalisierung und die mit ihr verbundene Anforderung ständiger Erreichbarkeit für steigenden Druck, Stress und unbezahlte Mehrarbeit. Nach der Erhebung arbeitet ein Neuntel aller Vollzeitbeschäftigten mehr als 48 Stunden pro Woche. Im Jahr 2016 seien 1,8 Milliarden Stunden über Plan gearbeitet worden, davon rund die Hälfte unbezahlt. Vor 20 Jahren seien noch zwei von drei Überstunden bezahlt worden.

Frauen seien in der Arbeitswelt insgesamt benachteiligt: Sie verdienten im Schnitt rund 22 Prozent weniger als Männer. 2016 arbeitete nach den Angaben fast jede zweite Frau in Teilzeit, dagegen nur zehn Prozent der Männer. Agenturen/nd

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