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Enttäuschung auf Tunesisch
Roland Etzel zum Ergebnis der Wahlen in Tunesien
Die Enttäuschung ist groß in der tunesischen Regierung. Jedenfalls äußerte sich Ministerpräsident Chahed in dieser Weise. Seine Partei liegt nur auf Platz zwei hinter den islamischen Fundamentalisten. Nur jeder dritte Wahlberechtigte fand es lohnend genug, seine Stimme abzugeben. Da trägt man keine Zufriedenheit zur Schau, obschon es dazu durchaus Grund gegeben hätte: Die Wahl verlief fair, frei und friedlich. Das gibt es derzeit in keinem anderen arabischen Land.
Doch sehr überrascht ob der miesen Resonanz konnte die Staatsführung eigentlich nicht sein. Sieben Jahre nachdem Straßenproteste den mit harter Hand regierenden Staatschef Ben Ali in die Flucht nach Saudi-Arabien schlugen, sehen sich die Menschen in ihren Erwartungen getäuscht. Ein demokratischeres Staatswesen als seinerzeit haben sie ohne Zweifel, das erhoffte bessere Leben nicht. Vielen mag es sogar nicht nur gefühlt durchaus schlechter gehen.
Ein vergleichsweise gutes Bildungswesen schafft nicht automatisch Arbeitsplätze, und Demokratie kann man nicht essen - dies bittere Wort hört man derzeit oft in Tunis. Das Land braucht neue Perspektiven in der internationalen Arbeitsteilung jenseits des Tourismus. Diese Erkenntnis beginnt zu reifen. Die Suche nach dem Weg hat gerade erst begonnen.
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