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Argentinien will neuen IWF-Kredit

Macri-Regierung verhandelt mit Internationalem Währungsfonds über 20 Milliarden US-Dollar

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 4 Min.

In Buenos Aires wird wieder über einen Kredit vom Internationalen Währungsfonds (IWF) verhandelt. »Wir gehen den einzig möglichen Weg, um eine große Wirtschaftskrise zu verhindern«, sagte Präsident Mauricio Macri, als er am Dienstag im Fernsehen die Gespräche »über Finanzhilfen mit dem IWF« ankündigte. Im Gespräch ist eine Kreditlinie von bis zu 20 Milliarden US-Dollar.

Die Regierung reagiert damit auf den anhaltenden Wertverlust des heimischen Peso gegenüber dem Dollar. Allein in den vergangenen zehn Tagen hat der Peso zehn Prozent seines Wertes eingebüßt. Am Mittwoch markierte er ein neues Rekordtief: ein Dollar kostete 23,30 Peso. Als eine Ursache verweist die Regierung auf den steigenden Zinssatz in den USA, der die internationalen Anleger dazu veranlasse, ihr Kapital besonders aus Schwellenländern wie Argentinien abzuziehen.

Im Fall Argentinien kommt auch Hausgemachtes hinzu. Um das Haushaltsdefizit von acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu reduzieren, versucht die neoliberale Macri-Regierung die Ausgaben des öffentlichen Sektors zu senken, der mehr als 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschlingt. Aus Vorsicht vor sozialen Protesten scheut der Präsident bisher vor einer rigorosen Sparpolitik zurück. In den zwei Jahren seiner Regierung haben die öffentlichen Haushalte 50 Milliarden Dollar an Krediten aufgenommen. Das Haushaltsdefizit wird über die Auslandsverschuldung finanziert.

Um zudem die Inflation zu senken, fährt die Zentralbank seit über zwei Jahren eine Hochzinspolitik. Mit kurzfristigen Staatsanleihen in Peso mit Zinssätzen von 25 bis 35 Prozent versucht sie, Anleger zu ködern und die effektive Nachfrage zu bremsen. Dennoch hat die Regierung ihre Inflationsziele wiederholt verfehlt. 2016 hatte sie eine Teuerungsrate von 23 Prozent veranschlagt und musste am Ende eine von 40 Prozent einräumen. 2017 war die Vorgabe 17 Prozent, am Ende des Jahres waren es 24 Prozent.

Auch für das laufende Jahr musste die Regierung ihre prognostizierte Inflationsrate von zwölf auf 15 Prozent heraufsetzen. Doch seit auch die Zinsen in den USA steigen, geben immer mehr Anleger ihre Anleihen zurück und tauschen die Peso in Dollar. Um diesen Run in den Dollar aufzuhalten, erhöhte die Zentralbank in der vergangenen Woche den Leitzinssatz von 27 Prozent auf schwindelerregende 40 Prozent. Dabei steht die Nagelprobe in der kommenden Woche noch an. Dann werden Anleihen im Wert von 680 Milliarden Peso fällig. Wie viele davon erneuert werden, ist völlig offen.

Die Furcht vor einem weiteren Absturz des Peso ließ die Regierung schon jetzt die Reißleine ziehen. Die Verhandlungen mit dem IWF sollen die Anleger beruhigen. Dass sich diese bis zu sechs Wochen hinziehen werden, ist zweitrangig, wichtig ist das Signal. »Ein Kredit des IWF macht uns weniger verwundbar«, so Kabinettschef Marcos Peña am Mittwoch.

Aus finanzwirtschaftlicher Sicht macht der Gang zum IWF Sinn. Die Zinsen für Kredite liegen dort zwischen vier und fünf Prozent. Auf den internationalen Kapitalmärkten müsste Argentinien rund das Doppelte bezahlen. Der politische Preis für die Regierung ist weitaus weniger günstig. »Der Gang zum IWF ist wie der Abstieg in die zweite Liga«, kommentierte ein Wirtschaftsexperte.

Diesen Makel könnten die fußballverrückten ArgentinierInnen gerade noch akzeptieren. Völlig offen ist, welche Bedingungen der IWF abgesehen vom Zinssatz stellen wird. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Regierung mit Verweis auf IWF-Vorgaben eine schärfere Anpassungspolitik betreiben könnte.

Bei vielen ArgentinierInnen weckt der IWF schlimme Erinnerungen. Mit seinen Strukturanpassungsprogrammen bestimmte der Fonds in den 1980er und 1990er Jahren die Finanz- und Wirtschaftspolitik des hoch verschuldeten Landes. Haushaltskürzungen, der Verkauf von Staatsbetrieben und die Privatisierung des Rentensystems machten zwar Mittel für den Schuldendienst frei, trieben das Land aber in eine soziale Schieflage. Und als der IWF 2001 die Auszahlung eines Milliarden-Dollar-Kredits verweigerte, brach die Krise los. Gut die Hälfte der Bevölkerung rutschte damals unter die Armutsgrenze.

Argentiniens letztes Stand-by-Abkommen datiert auf das Jahr 2003 unter dem damaligen Präsidenten Néstor Kirchner. Kirchner hatte Ende 2005 die Rückzahlung der Verbindlichkeiten beim IWF in Höhe von 9,8 Milliarden US-Dollar angeordnet und sich geweigert, Vorgaben des Fonds zu akzeptieren. Seither hat das Land keine IWF-Gelder mehr angenommen.

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