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Beitrag nur noch fürs jüngste Kind

Sachsen-Anhalt bekommt neues Gesetz zur Kinderbetreuung - Linkspartei: Es bleibt Chaos

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Wird, was lange währt, wirklich gut? Conny Lüddemann ist, was das neue Gesetz zur Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt betrifft, davon überzeugt. Fast ein Jahr rang das Dreierbündnis aus CDU, SPD und Grünen um Eckpunkte für das Gesetz, das als eines der wichtigsten in dieser Wahlperiode gilt. Jetzt ist es fertig, und Lüddemann, die Fraktionschefin der Grünen, sagt: »Ich bin ein bisschen stolz.«

Zu den Punkten, die bei den Kenia-Koalitionären die Brust schwellen lassen, gehört beispielsweise eine Entlastung von Eltern mehrerer Kinder. Sie sollen ab Anfang 2019, wenn das Gesetz in Kraft tritt, nur noch für das jeweils jüngste Kind den Elternbeitrag entrichten. Auch die Beschäftigten in Krippen, Kindergärten und Horten sollen entlastet werden: Bei der Personalplanung sollen pro Erzieherin zehn Tage für Fortbildung oder Krankheit geplant werden, was bedeutet, dass mehr Personal eingestellt werden müsste. Die Rede ist von 400 Fachkräften landesweit.

Das Gesetz tritt an die Stelle eines Regelwerks, das 2013 von CDU und SPD beschlossen worden war und den Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung für alle Kinder - unabhängig von der Beschäftigungssituation der Eltern - wieder einführte. Diesen hatte die CDU zusammen mit der FDP acht Jahre zuvor abgeschafft.

Nun wird dieser Anspruch erneut beschnitten - auch wenn die Koalition den Eindruck erweckt, es handle sich nur um eine Regelung auf dem Papier. Künftig soll ein Rechtsanspruch auf nur noch acht statt zehn Stunden Betreuung bestehen - für diese Zeit trägt das Land die Hälfte der Personalkosten. Die Auswirkungen der Beschneidung wären marginal, legen Zahlen des Sozialministeriums nahe: Kinder würden im Schnitt derzeit 8,4 Stunden in der Krippe und 8,6 Stunden im Kindergarten betreut. Wer sein Kind trotzdem zehn Stunden betreuen lassen will, weil Arbeitszeit und -weg keine Wahl lassen, soll das dürfen - auf Antrag, der, wie betont wird, »unbürokratisch« beschieden werde.

Ob das Versprechen gehalten wird, bleibt abzuwarten. Bei der LINKEN ist man zumindest besorgt, was die finanziellen Auswirkungen anbelangt. Betreuungszeit jenseits der acht vom Gesetz garantierten Stunden werden die Eltern »kaufen müssen«, glaubt die zuständige Fachpolitikerin Monika Hohmann. Sie beziffert die Preise auf drei bis 25 Euro je Stunde. »Das zu finanzieren wird schwierig«, sagt sie mit Verweis darauf, dass ein Drittel der Beschäftigten im Land unter 2000 Euro brutto verdiene.

Die AfD hält es noch für »unklar«, wie ein Betreuungsbedarf von über acht Stunden finanziert wird. Lydia Hüskens, die FDP-Landeschefin, kritisierte, die neue Regelung gefährde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Offen ist auch, wie deutlich sich die Personalsituation wirklich entspannt. Hohmann merkt an, dass laut Evaluation des bisherigen Gesetzes Erzieherinnen zuletzt im Durchschnitt 21 Tage im Jahr krank waren; zehn Tage sollten nun ausgeglichen werden. Sie prophezeit: »Die versprochene Entlastung wird so nicht eintreten.« Allerdings kostet die jetzt beschlossene Entlastung 21 Millionen Euro, die das Land aufbringen muss. Insgesamt stockt man zur Finanzierung des neuen Gesetzes die Ausgaben um 50 Millionen Euro auf.

Man habe es »finanziell ganz schön krachen lassen«, kommentierte Olaf Meister, Finanzexperte der Grünen. In diesem Jahr gibt das Land für die Kinderbetreuung 346 Millionen aus. Der Landesrechnungshof meldete bereits Kritik an. Trotz der Mehrausgaben sei »zumindest auf den ersten Blick keine erhebliche Qualitätssteigerung zu erkennen«, sagte Kay Barthel, der Präsident der Behörde, der Nachrichtenagentur dpa.

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