Das Zerren um den großen Fluss

Kambodscha, Laos und Vietnam planen eine bessere Absprache der Nutzung des Mekongs

  • Alfred Michaelis, Vientiane
  • Lesedauer: 4 Min.

Drei ältere Herren in dunklem Zwirn, die Hände fest ineinander verschränkt, lächeln breit in die Kamera. Nguyen Xuan Phuc, Samdech Hun Sen und Thongloun Sisoulith, die Premierminister von Vietnam, Kambodscha und Laos, stehen auf einer Bühne in Hanoi, und fast sieht es so aus, als würden sie die Kampfgemeinschaft aus alten Tagen beschwören, als die drei Länder Indochinas, oder genauer deren für die Unabhängigkeit eintretenden linksgerichteten Bewegungen, gemeinsam gegen französische Kolonialherren und amerikanische Aggressoren kämpften.

Doch die oft demonstrativ vorgeführte Einheit hat Risse. Einer davon heißt Mekong und fließt durch alle drei Länder. An der Nutzung der Wasserressourcen scheiden sich die Geister der einst so engen Kampfgefährten. Setzt das gebirgige Laos vor allem darauf, aus dem gewaltigen Wasserkraftpotenzial des Mekong und seiner Nebenflüsse durch Stromexporte dringend benötigte Mittel für die Entwicklung des noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt zählenden Landes zu erwirtschaften, so sorgt sich Vietnam an der Mündung des Flusses um die Versalzung und letztlich Überflutung des Mekong-Deltas. Sinkende Sedimentlast des Flusses als Folge der vielen Staudämme und steigender Meeresspiegel sind gleich zwei Faktoren, die der wirtschaftlich unersetzlichen Region zusetzen, die rund die Hälfte der vietnamesischen Reisernte und drei Viertel der Obst- und Aquakulturproduktion erbringt.

Kambodscha findet sich dagegen in einer Zwickmühle. Einerseits fürchtet das Land irreversible Auswirkungen auf das einzigartige Biosystem des Tonle Sap. Das fischreichste Gewässer der Erde wirkt wie ein natürliches Rückhaltebecken für die Wassermassen des Mekong, der den See in der Regenzeit mit Wasser füllt um dann bei sinkendem Pegel aus dem See gespeist zu werden. Auf der anderen Seite steht der wachsende Energiebedarf der sich entwickelnden Industrie des Landes.

Der Fluss und sein Schicksal sind es aber auch, die die drei hohen Herren zusammenbrachten. Und das gleich mehrfach im letzten Monat. Hatte man ich zunächst im Rahmen der Greater Mekong Subregion (GMS) in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi getroffen, so kamen die drei Premierminister, ergänzt um den Thailands, nur eine Woche später im kambodschanischen Siem Reap erneut zusammen. Diesmal im Rahmen der Mekong Kommission (Mekong River Commision - MRC). Damit sind nur zwei Gremien von inzwischen einem Dutzend genannt, die sich mit dem Fluss befassen und bei denen es inzwischen schon schwerfällt, die Übersicht zu behalten: Neben der von der Asiatischen Entwicklungsbank angeschobenen Subregion GMS, die neben den drei Ländern auch Thailand, Myanmar und zwei chinesische Südprovinzen umfasst, und der vier Länder vereinenden MRC (Kambodscha, Laos, Thailand, Vietnam; Myanmar und China sind hier Beobachter) existiert die ASEAN-Mekong Kooperation, die CLMV-Gruppe in der ASEAN (Cambodia, Laos, Myanmar, Vietnam), die Irawadi-Chao Phraya-Mekong Economic Cooperation Strategy (ACMECS) sowie das Kambodscha-Laos-Vietnam Entwicklungsdreieck. Letzteres wollen die drei Länder nach der jüngsten Übereinkunft von Hanoi von einem Forum der Nachbarprovinzen zu einem alle drei Länder komplett umfassenden Mechanismus ausbauen.

Dass es bei all den sich überlappenden Foren letztlich um Interessen geht, wird klar, wenn man die weiteren Kooperationsinitiativen hinzuzieht. Ist GMS schon stark von japanischen Interessen beeinflusst, so wird dies noch flankiert von der Mekong-Japan Kooperation. Hinzu kommen die Mekong-Republik Korea Kooperation, die von Ex-Außenministerin Hillary Clinton angeschobene Lower Mekong Initiative der USA und Australiens ASEAN und Mekong-Programme. Selbst Indien möchte dem ersten Teil des Begriffs Indochina wieder mehr Gewicht verleihen und startete die Mekong-Ganges-Zusammenarbeit. Eine Sonderstellung nimmt China ein, ist es doch selbst Anlieger des Oberlaufs des dort Lancang genannten Flusses. Damit sitzt die große Volksrepublik nicht nur dank seines schon seit Jahren implementierten Kaskadenprogramms am oberen Mekong buchstäblich am Hahn, sondern beginnt auch finanziell die Region zu fluten. Die dafür ins Leben gerufene Mekong-Lancang-Cooperation lässt viele Quellen sprudeln, die die Region fest in Chinas neues Seidenstraßenprogramm einbinden soll.

Viele Initiativen scheinen vor allem einem Ziel zu dienen: Chinas immens wachsendem Einfluss etwas entgegenzusetzen. Das mobilisiert auch weitere Mittel aus anderen Quellen. GMS sagte auf dem jüngsten Gipfel weitere 66 Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte zu. Zu hoffen bleibt, dass die Umwelt um die noch immer nur in Ansätzen erforschte Biosphäre Mekong dabei nicht den Bach hinunter geht.

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