Zu wenig Berufsethik für Thüringer Polizeischüler

Für neu eingestellte Anwärter fielen im Ausbildungsjahr 2016/17 mehr als 30 Prozent des Unterrichts in diesem Fach aus

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht nur an den allgemein- und berufsbildenden Schulen in Thüringen fällt viel Unterricht aus. Auch an der Polizeischule des Freistaats in Meiningen gibt es große Probleme, für angehende Beamte den Unterricht ausgerechnet im Fach Berufsethik zu organisieren. So habe es im Ausbildungsjahr 2016/2017 für neu eingestellte Polizeianwärter des mittleren Dienstes nur 24 Unterrichtseinheiten Berufsethik gegeben, heißt es in der Antwort des Thüringer Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des CDU-Innenpolitikers Raymond Walk. Laut Plan hätten es 37 Unterrichtseinheiten sein müssen. Das bedeutet, dass mehr als 30 Prozent des Unterrichts in diesem Fach für die damals neu eingestellten Polizeianwärter ausfiel.

Für Anwärter, die 2016/2017 schon im zweiten Ausbildungsjahr waren, gab es ausweislich der Antwort des Innenministeriums 13 Unterrichtseinheiten Berufsethik. Vorgesehen sind 18 Einheiten. Für diese angehenden Polizisten fielen also mehr als 25 Prozent ihres Unterrichts in Berufsethik aus. Die Ausbildung zum Polizeibeamten im mittleren Vollzugsdienst dauert in Thüringen in der Regel zwei Jahre. Beamte im mittleren Dienst machen die Masse der Polizisten im Land aus. Wenn Bürger mit der Polizei in Kontakt kommen, dann also mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem solchen Mann oder einer solchen Frau.

Dass an der Polizeischule so viel Unterricht in Berufsethik ausgefallen ist, kritisiert Walk scharf. »Es kann nicht sein, dass ausgerechnet ein so wichtiges Fach wie Berufsethik einen derart hohen Ausfallstatus von mehr als 25 Prozent hat. Hier muss kurzfristig Abhilfe geschaffen werden.«

Tatsächlich sind viele der Lerninhalte in Berufsethik für den Umgang von Polizisten mit den Bürgern zentral. Nach Angaben des Innenministeriums sollen die angehenden Polizisten dabei nämlich unter anderem dazu angeregt werden, darüber nachzudenken, wie es sich mit der Moral in der Polizei verhält oder wie Polizisten in der Öffentlichkeit auftreten sollten und welche Rolle soziale Medien dafür spielen.

Vor allem jedoch ist der Berufsethik-Unterricht für die angehenden Polizisten selbst überaus wichtig. Dabei sollen sie nach Angaben des Innenministeriums zum Beispiel auch lernen, wie sie mit Leid, Sterben und Tod umgehen können - womit sie im Dienst wahrscheinlich früher oder später konfrontiert werden, etwa im Zusammenhang mit einem Autounfall, einem Suizid oder Gewalttaten. Auch sollen sie dort lernen, wie sie Situation meistern können, in denen sie selbst Angst haben, oder wie sie durch Deeskalationsstrategie Übergriffe auf sich verhindern können.

Als Grund dafür, dass so viel Berufsethik-Unterricht an der Polizeischule ausfällt, nennt das Innenministerium indirekt einen Mangel an Referenten für das Fach. Die Landespolizeipfarrer - die den Unterricht abdecken - hätten zugesagt, »zur Verbesserung der Lehrsituation für den berufsethischen Unterricht weitere nebenamtliche Referenten zu gewinnen«, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage.

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