Trumps Schreckgespenst

Sonderermittler Mueller kommt dem US-Präsidenten in der »Russland-Affäre« immer näher

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 4 Min.

Selbst das Ernennungsprozedere zeigte, auf welches politische Minenfeld sich Robert Mueller da am 17. Mai 2017 begab. Nicht US-Justizminister Jeff Sessions nahm wie üblich die offizielle Berufung des 73-Jährigen zum Sonderermittler vor, sondern sein Stellvertreter Rod Rosenstein. Sessions hatte sich mit Blick auf den Gegenstand der Untersuchungen als befangen erklärt - eine Woche nach der Entlassung von FBI-Chef James Comey sollte nun dessen Amtsvorgänger die Ermittlungen der Bundespolizei in der sogenannten Russland-Affäre leiten. Worum es dabei geht, ist schriftlich fixiert: alle Verbindungen zwischen russischen Behörden und Mitgliedern des Wahlkampfteams von Donald Trump; alle Tatbestände, die durch diese Ermittlungen zu Tage treten; und einfach alles, was wie Meineid oder Justizbehinderung ohnehin zur gesetzlich definierten Kompetenz eines ministeriellen Sonderermittlers gehört.

Nicht zuletzt dank der Aussagen von Comey vor einem Senatsausschuss weiß man inzwischen, worauf sich die Untersuchungen konzentrieren. Neben den Kontakten der Trump-Kampagne nach Moskau und der damit verbundenen russischen Beeinflussung des Wahlkampfs im Jahr 2016 durch gezielte Desinformation sind es vor allem das Hacken der Zentralen von Republikanern wie Demokraten in Washington und weitere Formen der Cyberkriminalität, Geldwäsche und andere Finanzdelikte in Trumps Mannschaft sowie die Behinderung der Justiz - und spätestens hier kommt der Präsident persönlich ins Spiel.

Die »Washington Post« hat Mueller jetzt in einer Zwischenbilanz »Professionalität, Integrität und bemerkenswerter Effizienz« bescheinigt. Im Unterschied zum Weißen Haus gibt es in seinem Team bislang auch keine Lecks. Der Sonderermittler selbst ist in der Öffentlichkeit auffällig zurückhaltend, obwohl ihn der Präsident und seine Entourage immer wieder scharf angehen und diskreditieren. Donald Trump beklagt sich regelmäßig über eine angeblich politisch motivierte »Hexenjagd«. Zuletzt hat Vizepräsident Mike Pence unverblümt gefordert, die Ermittlungen endlich abzuschließen. Als Kenneth W. Starr einst fast fünf Jahre lang gegen den demokratischen Präsidenten Bill Clinton in Angelegenheiten ermittelte, die weit weniger komplex und wichtig waren, störte das die Republikaner nicht. Aus ihren Reihen kommt jetzt auch die Aufforderung, Mueller einfach in die Wüste zu schicken. Doch das ist dem Weißen Haus dann wohl politisch zu brisant. Ein von den Demokraten eingebrachter Gesetzentwurf für den Schutz Muellers steckt allerdings im Kongress fest. Nach Lage der Dinge kommt er nicht einmal zur parlamentarischen Abstimmung.

Bisher gab es in Folge der Untersuchungen 16 Anklagen gegen russische Protagonisten und Organisationen wegen Verschwörung und Identitätsdiebstahls; unter ihnen Jewgeni Prigoschin, Chef einer mutmaßlich verstrickten Beratungsagentur mit angeblichem Draht zu Präsident Wladimir Putin. Aber dass die Betroffenen jemals vor einem US-amerikanischen Gerichts erscheinen müssen, darf man wohl ausschließen. Anders ist das bei einheimischen Verdächtigen. Beobachter glauben, bei Mueller eine »Mafia-Strategie« erkennen zu können. Man zwingt zuerst die »kleineren Fische« zur Kooperation und dringt so Schritt um Schritt ins Zentrum der Verschwörung vor.

Bislang wurden vier Personen aus dem Dunstkreis von Trump angeklagt: sein damaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort, dessen Geschäftspartner Robert Gates, Wahlkampfberater George Papadopoulos und Trumps erster und schnell geschasster Sicherheitsberater Mike Flynn. Ihnen allen wird Falschaussage vorgeworfen. Bis auf Manafort, der sich im September voraussichtlich gleich vor zwei Gerichten unter anderem wegen Geldwäsche verantworten muss, haben sich alle schuldig bekannt. Und das scheint noch längst nicht das Ende der Fahnenstange zu sein. Auch Donald Trump Jr. oder der Trump-Anwalt Michael Cohen befinden sich im Visier der Ermittler; mit ihnen würde Mueller dem Präsidenten noch einmal näher kommen.

Da es im November Zwischenwahlen zum Kongress gibt, müssten weitere Vorladungen oder gar Anklagen noch vor der heißen Wahlkampfphase ausgesprochen werden, um nicht den Vorwurf der Wahlbeeinflussung zu provozieren. Auch Trump selbst könnte zu einer eidesstattlichen Aussage vorgeladen werden. Die »New York Times« hat unlängst eine Liste mit 48 angeblichen Fragen des Sonderermittlers an den Präsidenten veröffentlicht. Sie legen nahe, dass Mueller den Fokus auf den Verdacht der »obstruction of justice«, der Justizbehinderung durch Trump im Fall der Comey-Entlassung richtet. Die Fragen beziehen sich allerdings auch darauf, ob er in die Russland-Kontakte seines Wahlkampfteams eingeweiht war.

Sollte der Präsident eine Vernehmung verweigern, habe der Sonderermittler nach Informationen der »Washington Post« den Trump-Anwälten sogar gedroht, ihn zu einer Befragung durch eine »Grand Jury« vorzuladen. Ein solches Geschworenengremium ist mit umfassenden Vollmachten ausgestattet. Kein Wunder, dass Trumps neuer Rechtsbeistand Rudy Giuliani jetzt erklärte, dass sein Mandant als Präsident einer solchen Vorladung nicht folgen müsse, man aber bereit sei, »die Dinge mit Bob Mueller zu regeln«.

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