»So etwas hinterlässt Spuren«
Grüne und LINKE fordern Aufklärung zu Polizeieinsatz in Lichtenberger Jugendhilfeeinrichtung für Geflüchtete
War der Einsatz der Polizei von Anfang Mai in einer Jugendhilfeeinrichtung für unbegleitete minderjährige Geflüchtete verhältnismäßig? Mit dieser Frage befasste sich am Montag der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses auf Antrag der Grünen. Konkret ging es darum, ob die BeamtInnen am 9. Mai unberechtigt die Räume einer Wohngemeinschaft in Lichtenberg durchsucht haben und mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen die drei dort lebenden 18- bis 22-Jährigen vorgegangen sind, wie es der Träger der Einrichtung, der Kinder- und Jugendhilfe-Verbund (KJHV), der Polizei zunächst in einer Pressemitteilung vorgeworfen hatte. Die Anschuldigungen hatten im Nachgang interne Ermittlungen des Landeskriminalamtes ausgelöst, die noch andauern.
Da die vor Ort eingesetzten BeamtInnen nichts Genaues über die Wohnsituation des wegen bewaffneten Straßenraubs gesuchten Mannes wussten, sei es notwendig gewesen, schnell in die Wohnung einzudringen und alle Bewohner zügig in Gewahrsam zu nehmen, stellte Polizeipräsidentin Barbara Slowik klar. Auch gebe es mehr als 100 Eintragungen wegen Gewaltdelikten gegen den jungen Erwachsenen. Bei der Durchsuchung der Wohngemeinschaft sei zudem ein Elektroschocker beschlagnahmt worden.
»Der Vorfall hat gezeigt, dass eine bessere gemeinsame Abstimmung der Senatsverwaltung für Jugend mit der Polizei nötig ist, um bei Einsätzen in Jugendhilfeeinrichtungen zukünftig Schäden für Unbeteiligte vermeiden zu können«, sagte die jugendpolitische Sprecherin der Grünen, June Tomiak, dem »nd«. Sie erwarte, dass von den beteiligten Behörden Gespräche aufgenommen werden. »Bei schweren Gewalttätern muss die Polizei hohe Anforderungen an die Sicherheit und den Schutz der eingesetzten BeamtInnen stellen. Es muss aber dennoch gewährleistet sein, dass Unbeteiligte Dritte nicht zu Schaden kommen.«
Polizeipräsidentin Slowik stellte klar, dass der Durchsuchungsbefehl für die Wohnung des Verdächtigen galt. Dazu Tomiak: »Da es sich bei der betreffenden Wohnung um eine Wohngruppe für Jugendliche handelte, in der auch unbeteiligte Dritte lebten, ist zu klären, wie die Polizei zukünftig mit so einer ›WG-Situation‹ umgeht.«
Für den integrationspolitischen Sprecher der LINKEN, Hakan Taş, ist die Frage, ob alle Räume hätten durchsucht werden müssen oder ob der Einsatz insgesamt hätte besser vorbereitet werden müssen, noch nicht geklärt. Dem »neuen deutschland« sagte Taş: »Künftig müssen sich Polizei und Jugendhilfe besser abstimmen. Es muss geklärt werden, ob es eine Richtlinie zwischen Polizei und Jugendverwaltung für derartige Einsatz geben muss. So etwas hinterlässt Spuren. Das darf aus meiner Sicht nicht vorkommen.« Die LINKE plant eine Anfrage an die Verwaltung, wie oft derartige Einsätze in Berlin stattfinden und in welchem Rahmen.
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