Kommunalpolitisches Forum in Not

Hauptsächlich vom Land Brandenburg finanzierte Vereinigung kündigte Mitarbeiterin und Büro in Bernau

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Der neue Vorsitzende des Kommunalpolitischen Forums: Fritz Viertel
Der neue Vorsitzende des Kommunalpolitischen Forums: Fritz Viertel

Kreistagsabgeordnete, Stadtverordnete und Gemeindevertreter machen ehrenamtlich für eine geringe Aufwandsentschädigung Kommunalpolitik. Dabei müssen sie weitreichende Beschlüsse fassen. Bebauungspläne, Gebührensatzungen und dergleichen sind eine komplizierte Materie. Wo dürfen Windräder errichtet und Solaranlagen installiert werden? Das ist eine der vielen Fragen, vor denen Kommunalpolitiker stehen. Besonders Anfänger haben es schwer, da durchzusehen.

Seit 1991 hilft im Land Brandenburg das der Linken nahestehende Kommunalpolitische Forum (KF). 50 Veranstaltungen hat es im laufenden Jahr auf die Beine gestellt, darunter Seminare und Diskussionen zum Haushalt und zur Bauleitplanung, zum Wohnungsbau und zur Wehrpflicht. Auch wurden Filme des Regisseurs Konrad Wolf gezeigt. Jeweils 15 bis 20 Menschen und in der Spitze bis zu 60 Personen haben an den einzelnen Veranstaltungen teilgenommen.

Das war schon ein Kraftakt, nachdem Brandenburgs Linke bei der Landtagswahl im September 2024 mit nur noch knapp drei Prozent den Wiedereinzug ins Parlament verpasst hatte – und es wird vorerst nicht besser. Dass die Partei bei der Kommunalwahl im Juni 2024 von 14,1 auf 7,8 Prozent abrutschte, war bitter. Aber für das Kommunalpolitische Forum war nichts so einschneidend wie die Niederlage bei der Landtagswahl. Denn nach den Ergebnissen der Landtagswahl richtet sich, wie viel Geld die kommunalpolitischen Vereinigungen der verschiedenen Parteien vom Land Brandenburg erhalten. Das sind zum Beispiel noch die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik und die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU.

Nach der Landtagswahl 2019, bei der Die Linke statt 18,6 Prozent nur noch 10,7 Prozent erhalten hatte, reduzierten sich die Zuwendungen von 170 000 Euro im Jahr auf nur noch 100 000 Euro. Schon da hatte sich das Kommunalpolitische Forum schweren Herzens von seinem hauptamtlichen Geschäftsführer trennen müssen, der damals kurz vor der Rente gestanden habe, bedauert Holger Kippenhahn.

Kippenhahn, ehemals Bürgermeister von Heiligengrabe, war bis Samstag Vorsitzender des Kommunalpolitischen Forums. Jetzt ist er nach der am Wochenende erfolgten Neuwahl des Vorstands noch Stellvertreter des neuen Vorsitzenden Fritz Viertel. Der wiederum ist Linksfraktionschef in der Gemeinde Schöneiche bei Berlin, Landesvorsitzender des alternativen Verkehrsclubs VCD und war früher als Referent bei der Linksfraktion im Landtag beschäftigt.

Nach der schweren Niederlage bei der Landtagswahl bekomme das Kommunalpolitische Forum lediglich noch einen Sockelbetrag von 40 000 Euro im Jahr, erläutert Kippenhahn. Verpasst die Partei 2029 erneut den Einzug in den Landtag, würde das Forum voraussichtlich gar kein Geld mehr vom Staat erhalten. Gegenwärtig sieht es nicht schlecht aus, weil Brandenburgs Linke in den Umfragen bei neun Prozent liegt. Doch erst einmal gilt es, die Durststrecke bis zur nächsten Wahl durchzustehen. »Das Geld reicht bei Weitem nicht aus, um weiter eine Vollzeitstelle zu finanzieren«, beklagt Kippenhahn. Auf 70 000 Euro im Jahr haben sich die Personalkosten für die eine noch tätige Mitarbeiterin belaufen – und ihr sei nun notgedrungen gekündigt worden. »Jetzt sind wir beim Ehrenamt angelangt«, sagt Kippenhahn.

Auch die Geschäftsstelle in Bernau, für die jährlich 8000 Euro Miete zu zahlen waren, wurde am 10. Dezember geschlossen. Es bleibt die Adresse im Lothar-Bisky-Haus in der Potsdamer Alleestraße 3. Dort befindet sich schon lange die Landesgeschäftsstelle der Linken und seit einigen Monaten auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg. Die Stiftung erhält infolge des Wahlergebnisses ebenfalls weniger Zuschüsse. Sie musste deshalb ihren vorherigen Sitz an der Dortustraße aufgeben und im Lothar-Bisky-Haus unterschlüpfen. Statt bis dahin mehr als 110 000 Euro im Jahr erhalte die Stiftung lediglich noch etwa 23 000 Euro vom Land Brandenburg, hatte Schatzmeister Detlef Janson »nd« im April erläutert.

Die Kündigung der Mitarbeiterin und des Büros in Bernau durch das Kommunalpolitische Forum sind auf Kritik gestoßen. Doch Kippenhahn beteuert, es sei nicht anders gegangen. »Ich war elf Jahre Kämmerer und 16 Jahre Bürgermeister in Heiligengrabe«, erinnert er. Soll heißen, dass er rechnen kann und muss. Die Kündigung der »fleißigen und erfahrenen jahrzehntelangen Mitarbeiterin« sei ein »überaus schmerzlicher Schritt für die handelnden Personen« gewesen, steht in einem Sachbericht des Forums.

90 Prozent seiner Mittel habe das Kommunalpolitische Forum vom Staat bekommen, erklärt der Vizevorsitzende Kippenhahn. Es gebe auch Beiträge der Mitglieder und diese Beiträge seien jetzt verdoppelt worden. Aber das bringe längst nicht die Summen ein, die für eine volle Stelle notwendig wären.

Dem Forum gehören 31 Linksfraktionen an. Das sind alle 18 Fraktionen in den Kreistagen und kreisfreien Städten sowie 21 Fraktionen in Stadtverordnetenversammlungen und zwei Fraktionen in Gemeindevertretungen. Darüber hinaus gibt es noch 100 Einzelmitglieder. Insgesamt ergibt das rund 350 Mitglieder. Weitere zu werben, bleibe eine wichtige Aufgabe für den Vorstand und die Geschäftsstelle, heißt es im Sachbericht. Im Vorstand sitzen außer Fritz Viertel und Holger Kippenhahn noch Zeuthens Bürgermeister Philipp Martens, die Kreistagsabgeordneten Stephan Wende und Stefan Ludwig, Hoppegartens Linksfraktionschefin Jana Köhler und als Schatzmeisterin Annelie Böttcher.

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