Rajoys Abgang ist eine Chance

Martin Ling über das Ende der Ära Rajoy und Sánchez’ schweres Erbe

Der Aufdruck auf dem T-Shirt von Diego Cañamero bringt es auf den Punkt: »Ich stimme nur mit ›Ja‹, weil Rajoy weg muss.« Was für den andalusischen Abgeordneten der linken Unidos Podemos gilt, galt für viele der 180 Abgeordneten, die dem konstruktiven Misstrauensvotum des Sozialdemokraten Pedro Sánchez folgten: Das Ja war ein Nein zum seit 2011 regierenden rechten Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, der Spanien mit seiner Handhabung des Katalonien-Konfliktes in die tiefste Verfassungskrise seit dem Ende der Franco-Diktatur (1936-1975) manövriert hat - wenn man von den kurzen Turbulenzen nach dem Militärputschversuch 1981 absieht.

Sánchez ist sich seines schwachen Rückhalts bewusst. Er versucht nicht einmal, einen eigenen Haushalt durchzubringen, sondern übernimmt den von Rajoy. Das Bündnis, das Rajoy in die Wüste geschickt hat, ist extrem heterogen, ohne separatistische Katalanen, separatistische und autonom-nationalistische Basken wäre eine Mehrheit nicht zu kriegen gewesen. Wie Sánchez angesichts dieser Partikularinteressen regieren will, ist offen. Immerhin wird mit ihm seitens Madrid erstmals seit 2011 wieder der Dialog vor die Konfrontation gestellt. Er wird sich mit Katalanen, Basken und anderen an den Tisch setzen, um zu Verhandlungslösungen zu kommen. Ohne schmerzhafte Kompromisse für alle Seiten wird es keine befriedenden Lösungen geben. Aber dafür immerhin ist eine Chance da. Und der Druck ist groß, sie zu nutzen.

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