Die zwei Gesichter der SPD

In einigen Bundesländern grenzen sich die Sozialdemokraten verbal von der Union ab - mit mäßigem Erfolg

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Man muss lange auf der Karte suchen, bis man ein Land in Europa findet, in dem die Sozialdemokraten im Aufwind sind. In Slowenien ging es für die Partei Socialni demokrati immerhin in dem Umfragen kurz vor der Parlamentswahl am Sonntag etwas nach oben, nachdem die einst stärkste Kraft des Landes vor vier Jahren auf sechs Prozent abgestürzt war. Anfang der Woche konnten sich die slowenischen Genossen über hohen Besuch aus Deutschland freuen. Die Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Andrea Nahles, war in die Hauptstadt Ljubljana gereist.

Es ist nicht überliefert, ob Nahles auch Tipps für die letzte Phase des Wahlkampfs im Gepäck hatte. Hilfreich wären diese wohl ohnehin nicht gewesen. Die Sozialdemokratin ist bislang nicht als erfolgreiche Wahlkämpferin aufgefallen. Als sie von ihrer Auslandsreise zurückkehrte, musste Nahles eine Umfrage lesen, die für sie wenig schmeichelhaft ausfiel. Nach der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Yougov haben selbst viele der potenziellen Wähler der SPD kein Vertrauen in die Arbeit der Parteivorsitzenden. 37 Prozent der Befragten glaubten »auf jeden Fall« oder »eher ja«, dass Nahles die Sozialdemokraten aus der Krise führen könne. 41 Prozent dagegen sagten, sie sei eher nicht oder »auf keinen Fall« die richtige Person für diese Aufgabe.

Überraschend sind diese Zahlen nicht. Denn Nahles steht vor der schwierigen Aufgabe, einerseits die Bundestagsfraktion bei Entscheidungen der Großen Koalition zusammenzuhalten und zugleich den Erneuerungsprozess der SPD voranzutreiben, die irgendwann bei Wahlen wieder eine ernsthafte Konkurrentin der Union werden will. In der Partei und in der Bundestagsfraktion zweifeln manche, dass dies gelingen kann. Nahles wurde vor wenigen Tagen von linken Sozialdemokraten kritisiert, weil sie in einem Zeitungsinterview zum Thema Asylpolitik gesagt hatte, dass Deutschland nicht »alle« bei sich aufnehmen könne. Juso-Chef Kevin Kühnert monierte daraufhin in der ARD, dass solche Aussagen in der Auseinandersetzung mit der AfD nicht helfen würden. Auch einige Abgeordnete der Bundestagsfraktion distanzierten sich von Nahles.

Noch unruhiger wird es für Nahles, wenn die SPD im Herbst die Landtagswahlen in Hessen und Bayern in den Sand setzen sollte. Besonders in Bayern sieht es derzeit schlecht für die Sozialdemokraten aus. Nach der jüngsten Erhebung liegt sie bei 13 Prozent. Damit teilt sie sich den zweiten Platz mit der AfD und liegt nur einen Prozentpunkt vor den Grünen. Zuletzt hatte die SPD versucht, sich in Bayern als linke Kraft zu profilieren. Die Oppositionspartei ist Teil eines Bündnisses gegen das von der Regierungspartei CSU durchgesetzte Polizeiaufgabengesetz, durch das Beamte ohne konkreten Verdacht in Grundrechte eingreifen können. Die SPD-Landtagsfraktion geht auch juristisch gegen das Gesetz vor. Eine richterliche Prüfung soll klären, ob es verfassungswidrig ist.

Doch im Bund zeigen die Sozialdemokraten ein ganz anderes Gesicht. Hier sitzen sie mit CDU und CSU am Kabinettstisch und einigen sich mit den Konservativen auf Kompromisse. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Pläne in seinem Heimatland Bayern begrüßt und strebt ein entsprechendes Musterpolizeigesetz an. Wenn die SPD hier mitziehen sollte, ist ihr gleichzeitiger Widerstand gegen das bayerische Polizeigesetz wenig glaubwürdig.

Auch bei den Planungen zu den sogenannten AnKERzentren, die nach dem Willen von Seehofer dazu dienen sollen, Geflüchtete schneller abzuschieben, zeigen sich die zwei Gesichter der SPD. Im Bund haben sie den Abschiebezentren grundsätzlich zugestimmt. In den Ländern, in denen sie nicht mit der CDU zusammen regieren, ist dagegen Skepsis oder gar Ablehnung der Sozialdemokraten zu hören. Dies lässt sich durch die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse in Bund und Ländern erklären. Allerdings bleibt für viele Wähler angesichts der Widersprüche in der sozialdemokratischen Flüchtlingspolitik die Frage offen, welche Haltung die Partei nun eigentlich vertritt.

Zwar sitzt die SPD sowohl in Bayern als auch in Hessen in der Opposition, aber in beiden Ländern wird sie als möglicher künftiger Juniorpartner der CSU beziehungsweise der CDU gehandelt. Als Koalitionspartei im Wartestand fällt es schwer, überzeugende Oppositionsarbeit zu machen. Das bekommt auch der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel zu spüren. Seine Partei liegt derzeit bei 24 Prozent. Das entspricht auch ihrem bisherigen Tiefststand bei der Landtagswahl 2009.

Der von der Parteiführung versprochene Erneuerungsprozess der SPD schreitet nur langsam voran. Ergebnisse der Debatten aus Landesverbänden, Ortsvereinen und im Internet sollen nach dem Willen der SPD-Spitze letztlich zu einem Parteitagsbeschluss im kommenden Jahr führen. Wie diese unterschiedlichen Einschätzungen innerhalb der Partei zusammengeführt werden können, ist aber noch völlig unklar. Eine Linkswende der SPD zeichnet sich jedenfalls bis jetzt nicht ab.

Diese wünschen sich aber Teile des linken Flügels der SPD. In diesen Kreisen wird immer wieder der Name des britischen Labourchefs Jeremy Corbyn als Vorbild genannt, der die neoliberale Politik seiner Vorgänger aus dem Programm seiner Partei getilgt hatte. Stattdessen fordert Labour unter Corbyn unter anderem, Wasserwerke, Energieversorger, Post und Eisenbahnen zu verstaatlichen. Der linke SPD-Verein Forum DL 21 hat unter anderem Corbyns Schattenminister Jon Trickett für einen »linken Erneuerungsprozess« Ende Juni in Berlin eingeladen.

Der Einfluss der DL 21 und anderer linker Gruppen in der SPD ist allerdings begrenzt. In der jüngeren Vergangenheit war es ihnen nicht gelungen, bei Mitgliederbefragungen oder Abstimmungen auf Parteitagen ihre zentralen Anliegen durchzubringen. Allerdings enden viele Abstimmungen mittlerweile etwas knapper als noch vor einigen Jahren. So hatten etwa bei dem Basisvotum im März nur noch 66 Prozent der Sozialdemokraten für eine Fortsetzung der Großen Koalition gestimmt. 34 Prozent waren dagegen. Zahlen wie diese sind ein Indiz für den wachsenden Zuspruch, den SPD-Linke von den Mitgliedern erhalten.

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