Iran will Urananreicherung wieder aufnehmen

Atomenergiebehörde IAEA ist informiert / Druck auf die Europäer wächst / Israel droht mit militärischen Konsequenzen

  • Lesedauer: 4 Min.

Teheran. Der Iran hat mit einem Schritt zur Ausweitung seiner Urananreicherung den Druck auf die Europäer erhöht, die das Atomabkommen nach dem Ausstieg der USA zu retten versuchen. Wie die Führung in Teheran am Dienstag mitteilte, informierte sie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) über ihre Absicht, neue Zentrifugen zur Urananreicherung herzustellen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wertete dies als Beleg für Teherans Absicht, sich »ein Arsenal von Atombomben« zu beschaffen.

Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei hatte am Montag die iranische Atomenergiebehörde aufgefordert, Schritte zur Ausweitung der Urananreicherung zu ergreifen. Zugleich warnte er, die Europäer dürften nicht erwarten, dass der Iran die neuen US-Sanktionen erdulden werde und zugleich weiterhin die Einschränkung seines Atomprogramms akzeptiere. Dies sei ein »Traum«, der niemals wahr werde.

Der iranische Vize-Präsident Ali Akbar Salehi sagte nun, der Iran habe die IAEA am Montag per Brief über die Entscheidung zur Herstellung neuer Zentrifugen informiert. Womöglich könne schon Mittwochabend in der Urananreicherungsanlage Natans ein Zentrum zur Produktion von neuen Zentrifugen eröffnet werden. Die Herstellung neuer Zentrifugen bedeute aber nicht, dass diese sofort installiert würden, sagte Salehi.

Auch bedeute der Schritt weder einen Verstoß gegen das Atomabkommen von 2015 noch das Scheitern der Gespräche mit den Europäern über die Rettung des Abkommens, betonte Salehi, der auch Leiter der iranischen Atomenergiebehörde ist. Die Europäer bemühen sich, die Vereinbarung zu retten, nachdem US-Präsident Donald Trump sie Anfang Mai aufgekündigt und neue Sanktionen gegen den Iran verhängt hatte.

Der Iran hatte in der Folge des internationalen Atomabkommens von Juli 2015 die Zahl seiner Zentrifugen in Natans und der Urananreicherungsanlage Fordo deutlich reduziert. Zudem sagte Teheran zu, seine Vorräte hochangereicherten Urans zu beseitigen und Uran nicht länger auf 20 Prozent anzureichern. Das Abkommen erlaubt dem Iran aber, neue Zentrifugen herzustellen, solange er sie nicht vor 2025 in Betrieb nimmt.

Die Urananreicherung dient der Herstellung von Brennstoff für Atomkraftwerke, höher angereichertes Uran kann auch zu medizinischen Zwecken verwendet werden. Die Anreicherung auf 20 Prozent ist zugleich ein wichtiger Schritt zur Produktion von atomwaffenfähigem Uran. Der Iran hat stets bestritten, nach Atomwaffen zu streben, und betont, dass seine Atomanlagen ausschließlich zivilen Zwecken dienten. Die IAEA habe bereits elf Mal bestätigt, dass sich der Iran an die Vereinbarungen aus dem Atomabkommen halte. Der Iran hatte sich im Gegenzug für die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen verpflichtet, nicht mehr nach einer Atombombe zu streben und sich Kontrollen zu unterwerfen.

Danach muss der Iran in den ersten zehn Jahren mehr als zwei Drittel der Kapazitäten zur Urananreicherung stillgelegen. Und Uran darf nur noch auf 3,67 Prozent angereichert werden - dieser Grad reicht für die Nutzung in Kraftwerken aus. Für eine Atombombe wäre auf 90 Prozent angereichertes Uran nötig.

Der Chef der iranischen Atomorganisation, Salehi, sagte, die neuen Projekte seien lediglich praktische Vorbereitungen, falls der Deal scheitern sollte. So solle die Produktionskapazität für »Yellowcake« erhöht werden, den Ausgangsstoff für die Herstellung von Brennelementen. Auch wolle das Land nach einem Scheitern des Atomdeals die Herstellung schnellerer Zentrifugen zur Urananreicherung forcieren. Das neue Zentrum dafür könne schon in einigen Monaten betriebsbereit sein.

Israel reagiert verärgert auf Vorbereitungen der iranischen Führung für eine verstärkte Urananreicherung und droht dem Land mit einem militärischen Angriff. Israels Ministerpräsident Netanjahu wertete die Entscheidung zur Herstellung neuer Zentrifugen nun aber als Beweis, dass der Iran nach Atomwaffen strebe. Chamenei habe am Sonntag seine Absicht geäußert, »den Staat Israel zu vernichten«, sagte Netanjahu in einer Videobotschaft. »Gestern hat er erklärt, wie er das tun will - durch unbegrenzte Urananreicherung, um ein Arsenal von Atombomben zu schaffen.« »Wir sind nicht überrascht. Wir werden dem Iran nicht gestatten, sich Nuklearwaffen zu verschaffen.« Geheimdienstminister Israel Katz erklärte, wenn die Führung in Teheran ihr Programm zur Entwicklung von Atomwaffen wieder aufnehme, werde eine internationale Koalition unter US-Führung den Iran erst verwarnen »und dann militärisch angreifen« werde.

Netanjahu ist seit jeher ein scharfer Kritiker des Atomabkommens und fordert ein härteres Vorgehen gegen den Iran. Allerdings droht Trumps Rückzug aus dem Abkommen nun zu einer erneuten Ausweitung des iranischen Atomprogramms zu führen. So warnte der Iran nach Trumps Entscheidung, dass er die Urananreicherung wieder hochfahren werde, wenn die europäischen Vertragspartner ihm nicht konkrete Garantien geben würden.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen an dem Abkommen festhalten, doch ist es fraglich, ob sie verhindern können, dass die iranische Wirtschaft durch die neuen US-Sanktionen erneut isoliert wird. Agenturen/nd

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal