25 Jahre Erfolg sind kein Grund öffentlich zu feiern

Ein Viertel Jahrhundert ehrenamtliches Engagement in Krisengebieten / Die größte Herausforderung ist der Zugang zu den Menschen

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Berlin. Die deutsche Sektion von »Ärzte ohne Grenzen« begeht am Mittwoch ihr 25-jähriges Bestehen. 22 Jahre nachdem 1971 französische Ärzte »Médecins Sans Frontières« zur medizinischen Notfallversorgung der Zivilbevölkerung in Kriegs- und Krisengebieten gegründet hatten, folgte 1993 die Gründung der deutschen Sektion der internationalen Hilfsorganisation. »Anfangs arbeiteten nur zwei Mitarbeiter in Teilzeit im Büro, heute sind wir 162 Mitarbeiter«, sagte der Geschäftsführer von »Ärzte ohne Grenzen« Deutschland, Florian Westphal, am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Im ersten Jahr habe das deutsche Büro neun Mitarbeiter in die Projekte entsandt, heute seien es knapp 300 pro Jahr. »Wir sehen aber keinen besonderen Grund, öffentlich zu feiern«, sagte Westphal.

Mit dem Bedeutungszuwachs der Hilfsorganisation wuchsen auch die Spendeneinnahmen. 1993 nahm »Ärzte ohne Grenzen« Deutschland 9.252 Euro an Spenden ein, 2017 waren es 147,7 Millionen Euro. Aus neun Projektmitarbeitern wurden bis heute 295, darunter viele ehrenamtliche Ärzte und anderes medizinisches Personal.

Als große Zäsuren in der 25-jährigen Geschichte der Hilfsorganisation bezeichnet Westphal den Kosovo-Krieg im Jahr 1999 und den Tsunami in Südostasien 2004. Im Kosovo-Krieg sei erstmals »Ärzte ohne Grenzen« in einem Konflikt tätig gewesen, an dem auch die Bundeswehr eine Kriegspartei war. Um ihre Unabhängigkeit zu bewahren, hatte die Organisation damals zum ersten Mal beschlossen, keine Gelder von der Bundesregierung mehr anzunehmen. Aus Kritik an der restriktiven EU-Flüchtlingspolitik verzichtete die Hilfsorganisation 2016 ein weiteres Mal auf öffentliche finanzielle Mittel.

Der Tsunami in Südostasien 2004 führte wiederum innerhalb kürzester Zeit zu einer enormen Zunahme an Spendeneinnahmen. »Nach wenigen Wochen mussten wir feststellen, dass wir für unsere medizinische Nothilfe in den betroffenen Ländern keine weiteren Gelder benötigen werden«, sagte Westphal. Bis heute appelliere die Organisation deshalb, ohne Zweckbindung zu spenden, damit die Gelder jeweils dort eingesetzt werden können, wo Hilfe am dringendsten gebraucht werde - »und nicht nur dort, wo die öffentliche Aufmerksamkeit besonders groß ist«, so Westphal.

Ein ganz wichtiger Schritt für die deutsche Sektion sei zudem die Eröffnung der Projektabteilung in Berlin im Jahr 2004 gewesen, sagte Westphal. Seitdem würden von Berlin aus humanitäre Hilfsprojekte weltweit organisiert. Zu den schwärzesten Stunden in ihrer Geschichte zähle die Bombardierung der Klinik der Hilfsorganisation im afghanischen Kundus durch die US-Luftwaffe im Oktober 2015 mit 42 Toten, darunter 14 Mitarbeitern.

Die größte Herausforderung für die Zukunft sehe er darin, weiter Zugang zu den Menschen zu erhalten, die Hilfe benötigen, sagte Westphal. »Immer wieder werden Zivilisten - auch unsere Patienten - gezielt angegriffen, ob in Syrien, im Jemen oder im Südsudan. Ich fürchte, dass es künftig eher mehr solcher schwierigen Situationen geben wird.«

Auslöser der Gründung von »Médecins Sans Frontières« war die Hungerkrise in der nigerianischen Provinz Biafra 1969, in deren Folge Zehntausende Menschen starben. Im Jahr 1999 wurde die Hilfsorganisation mit dem Friedensnobelpreis geehrt. epd/nd

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