Flüchtlinge an der Universität willkommen

Omar Alkhouja floh einen Monat vor seinem Abschluss aus Syrien, jetzt will er in Frankfurt (Oder) studieren

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das Studium ist schwer, aber ich schaffe das«, sagt Mina Saeedi (Name geändert). Die Unsicherheit in ihrer Stimme ist dabei nicht zu überhören. Die 29-Jährige stammt aus dem Iran und studiert an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) Kulturwissenschaften. Das allein wäre nichts Besonderes an einer Hochschule, an der ein Viertel der rund 6500 Studenten aus dem Ausland stammt, sehr viele davon aus Polen. Was jedoch keiner von Minas Kommilitonen weiß: Die junge Frau ist die erste, die das Flüchtlings-Projekt »Welcome@Viadrina« erfolgreich absolviert hat.

»Das Projekt hat mich quasi wieder belebt. Die Leute haben mich auf dem ganzen, schweren Weg begleitet und sind immer noch für mich da«, sagt Mina, die in ihrer Heimat bereits Persisch und Italienisch studiert hat. Seit knapp zwei Jahren bemüht sich die Hochschule mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und des Landes Brandenburg nun um den akademischen Wiedereinstieg von Flüchtlingen.

»Es ging los mit Deutschkursen, doch wir merkten schnell, dass die Sprachkenntnisse allein nicht genug sind für eine Studienvorbereitung«, erinnert sich Projektassistentin Annelen Horsas, die selbst aus Norwegen stammt. Inzwischen gehört zu den zwei Vorbereitungssemestern auch Grundwissen in Wirtschafts- oder Kulturwissenschaften. Mathematik und Mikroökonomie stehen auf dem Stundenplan oder auch Workshops und Fachsprachen-Lektionen. Zu den Kursen kommen die Flüchtlinge, die in Ostbrandenburg, Potsdam oder Berlin leben, fast täglich an die Universität. »Seit Projektbeginn haben wir rund 50 Flüchtlinge betreut. Anfangs sprangen allerdings viele von ihnen wieder ab. Inzwischen sind das Interesse und auch der Wille groß«, sagt Horsas, die bereits Bewerbungen für die nächsten Vorbereitungskurse bekommen hat. Mina sei das »Versuchskaninchen« für das Projekt gewesen. »Wir nutzen ihre Erfahrungen, um die Kurse noch optimaler zu gestalten«, erklärt Horsas.

Die Iranerin gehört zu jenen Flüchtlingen, die keine Nachweise ihrer Hochschulreife vorlegen können, einfach weil sie auf der Flucht verloren gegangen sind. »Für diese Betroffenen gibt es eine fachliche Zugangsprüfung«, sagt die Projektassistentin. Aktuell betreuen sie und die Projektleiterin zusammen mit studentischen Hilfskräften, Sprachdozenten und Tutoren 24 Flüchtlinge, hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan, Iran und Russland. Zehn von ihnen, sagt Horsas, werden zum nächsten Wintersemester ihr Studium beginnen können. Zu ihnen gehört Omar Alkhouja aus Syrien. Für ihn war der Nachweis einer Studienqualifikation nicht schwer. Konnte er doch die nötigen Papiere vorlegen, die beweisen, dass er in Damaskus Management und Buchhaltung studiert hat.

»Ich hatte noch einen Monat bis zum Abschluss, sollte aber plötzlich zur Armee und in den Krieg«, erzählt der 27-Jährige, der die Flucht ergriff. Lieber verliere er einige Jahre beim Studium, als das Leben, sagt Omar, der in Strausberg lebt und dort auch gerne bleiben möchte. Vorerst hat er eine Aufenthaltsgestattung für drei Jahre, die verlängert werden kann und ihn berechtigt, das Semesterticket für die tägliche Fahrerei zu nutzen. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften möchte er in einer großen deutschen Firma arbeiten, sagt der Syrer.

Mina hingegen zieht es nach Hause. »Ich musste fliehen, weil ich vom Islam zum Christentum konvertiert bin. Meine Eltern haben mich über Jahre versteckt.« Sobald es in ihrer Heimat keine Probleme mehr mit der Religion gebe, wolle sie zurück - natürlich mit einem Abschluss als Kulturwissenschaftlerin. Das wird schwer. Da die in Beeskow lebende 29-Jährige bisher kein anerkannter Asylbewerber ist, kann sie kein Bafög beantragen, darf nicht arbeiten, um Geld zu verdienen, und ist auf finanzielle Unterstützung deutscher Familien angewiesen. »Die habe ich über die Kirche kennen gelernt«, erzählt sie. Dass sie 2016 als Flüchtling nach Deutschland kam, behält die zurückhaltende Iranerin an der Universität für sich. Keiner ihrer Kommilitonen kennt ihr Schicksal. »Die Deutschen haben ein falsches Bild, denken Flüchtlinge sind arm und haben keine Bildung«, so ihre Erfahrung. dpa

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