Unvernunftehe

Diese Koalition kann nicht gut enden, meint Uwe Kalbe

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Als Horst Seehofer, für die eigene Partei überraschend, seinen Rücktritt ankündigte, den er später zu einem »Rücktrittsangebot« abmilderte, war dies das Bekenntnis seines Scheiterns. Dass die Kanzlerin mit ihrer Richtlinienkompetenz winkte, lag ihm schwer im Magen; lieber wollte er selber gehen. Seehofers Chuzpe: dass er bereit war, die Koalition und sowieso Angela Merkel mit in den Abgrund zu reißen.

Nun ist die schlechteste Lösung eingetreten: dass Angela Merkel nicht konsequent blieb und sich ein weiteres Mal dem Macho aus Bayern beugte. Dass die CSU sich nicht von Seehofer absetzen musste, um die Union zu retten und dass Seehofer dem Land als Berufsreaktionär mit Ministerportfolio bis auf Weiteres erhalten bleibt. Damit hat Merkel klein beigegeben, sich dem Mobbingminister ergeben. Seehofer kann sich bei seinen bayerischen Truppen bedanken, denn die erweckten bei Merkel offenbar den Eindruck, dass mit Seehofer auch die CSU von der Fahne gehen werde. Auch wenn das längst nicht ausgemacht war, wie Äußerungen von Ministerpräsident Söder und Landesgruppenchef Dobrindt zeigten. Unklar ist die Rolle von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), der bei der Mahnstunde am Montagmittag sicher eher Einfluss auf Merkel genommen haben dürfte als auf Seehofer, welcher zu diesem Zeitpunkt schon das irre Flackern des Suizidbereiten im Blick hatte.

Damit jedenfalls, dass nun ein »Kompromiss«, nämlich Seehofers Masterplan gilt, auch wenn noch das Wort »Transitzentren« eingefügt wurde, ist dies eher eine Rettung in den Farben der CSU. Freilich sind die eigentlich Rettungsbedürftigen hier nicht gemeint – die Menschen, die sich auf die Flucht begeben und den Fehler machen, der Menschenrechtsverheißung der europäischen Demokratie zu folgen. Damit landen sie künftig in Seehofers Teufelsküche.

Das könnte nur noch die SPD verhindern. Aber auch sie wird sich dem Primat der Machterhaltung ergeben, weil sie wie Angela Merkel der Meinung ist, dass nichts läuft, wenn nicht sie selbst in der Suppe rührt. Keiner der Beteiligten dürfte jedoch künftig ruhigen Gewissens den Rücken kehren. Selbst das Wort von der Vernunftehe ist hier Beschönigung. In dieser Koalition knirscht es gewaltig – und es sind nicht nur Zähne, die man hört.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal