(Neo-)Koloniale Kontinuitäten auf den Philippinen

Am 4. Juli 1946 entließen die USA ihre einzige Kolonie in Südostasien in die Unabhängigkeit - 72 Jahre später sind sie dort noch immer sehr präsent

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Während des Zweiten Weltkriegs waren etwa 260 000 Filipinos in unterschiedlichen Guerillaorganisationen aktiv. Ein noch größerer Teil der Bevölkerung hatte sich heimlich im antijapanischen Untergrund engagiert. Die mit Abstand größte und bedeutendste Guerillaorganisation war die Hukbalahap (Huk = Anti-japanische Volksarmee). Bei Kriegsende gingen ihre Kämpfer davon aus, zumindest als formidable Kraft im Widerstand gegen die japanischen Besatzer gewürdigt, wenn nicht gar entschädigt zu werden.

Doch einer der ersten Befehle, die der Chef der United States Armed Forces in the Far East (USAFFE), General Douglas MacArthur, nach der verlustreichen Einnahme Manilas und noch vor der Kapitulation Japans an die Adresse der Huk gerichtet hatte, lautete, ihre Waffen unverzüglich zu strecken und diese den USAFFE-Einheiten. Weigerten sich Huk-Kämpfer, dieser Order nachzukommen, wurden sie als »Banditen« behandelt.

Kein Wunder, dass sich die Huk Ende der 1940er Jahre in Volksbefreiungsarmee (Hukbong Mapagpalaya ng Bayan, HMB) umbenannte und fortan die Regierung und US-Streitkräfte auf den Inseln bekämpfte. Erst Mitte der 1950er Jahre gelang es den Regierungsstreitkräften, der HMB das Rückgrat zu brechen.

Nach Kriegsende stützten sich die USA auf altbewährte Gefolgsleute, um mit ihnen das Land in eine Unabhängigkeit zu führen, welche die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen der Kolonialmacht wahrte. Bevorzugt griff MacArthur deshalb auf vormals lokale pro-japanische Elemente aus Politik und dem Polizeiapparat sowie auf eingeflogene »Aufstandsbekämpfungsstrategen« zurück. Die pro-japanischer Persönlichkeiten in die Gestaltung der Nachkriegsordnung hatten den Vorteil, dass sie manipulierbar und erpressbar waren. Insbesondere Manuel Roxas machte unter diesen Umständen eine steile Karriere.

Roxas, vor dem Krieg Politiker und Ex-Brigadegeneral in der Armee, war während der japanischen Okkupation ein hochrangiges Mitglied des Marionettenregimes. Ihm oblag es, die japanischen Truppen mit Reis zu versorgen. Nach dem Krieg wurde er zunächst mitsamt weiteren etwa 5000 Kollaborateuren von US-Militärs gefangen genommen, schon bald aber auf Anweisung von MacArthur wieder auf freien Fuß gesetzt. Roxas war so etwas wie der Liebling MacArthurs, der das politische Comeback des Zöglings tatkräftig förderte.

Mehr als eine Viertel Million Filipinos hatten vor und nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor Treueide auf die USA geleistet und damit ihr Schicksal an das der US-Streitkräfte gekoppelt. Im Gegenzug für diese Loyalität stellte die Regierung in Washington den philippinischen Soldaten nach Kriegsende dieselbe Behandlung wie die ihrer amerikanischen Waffengefährten in Aussicht. Das sollte sowohl Entschädigungen als auch eine angemessene Krankenversicherung und Rente betreffen.

Doch bereits im Februar 1946 war im US-Kongress der Rescission Act (Aufhebungsgesetz) verabschiedet und von Präsident Truman unterzeichnet worden, der genau das Gegenteil beinhaltete. Abgesehen von selektiv gezahlten Entschädigungen für Tote und Verwundete war das ein Affront gegen die philippinischen Veteranen. Sie hatten im Krieges die Hauptlast getragen und im Kampf gegen einen übermächtigen Feind ausgeharrt, nachdem das US-Oberkommando die Inseln verlassen und in Australien Quartier bezogen hatte.

Nicht nur die Kriegsveteranen wurden betrogen und zu Bürgern zweiter Klasse gestempelt. Das von US-Präsident Roosevelt im August 1943 abgegebene Versprechen, die Philippinen in den Genuss einer vollen Entschädigung der angerichteten Kriegsschäden kommen zu lassen, wurde ebenfalls nicht eingehalten. Die wirtschaftliche Hegemonie der USA über die politisch »unabhängig« gewordene Neokolonie blieb bestehen - vor allem wegen der Erpressbarkeit des nunmehrigen Präsidenten Roxas. In seine Amtszeit fiel die Entscheidung, den USA den Unterhalt und Ausbau militärischer Stützpunkte zu gestatten und ihnen dafür ausreichend Land auf der Basis eines 99 Jahre währenden Pachtvertrags zur Verfügung zu stellen. Unterzeichnet wurde dieser »Vertrag zur Regelung der allgemeinen Beziehungen« offiziell am 14. März 1947.

Aller anti-amerikanischen Rhetorik zum Trotz, derer sich einzig und allein Präsident Duterte in seinem ersten Amtsjahr zeitweilig bediente, endet Manilas Innenpolitik dort, wo Washingtons Außen- und »Sicherheits«politik beginnt. Beispielhaft dafür ist die Anfang dieses Jahres publik gewordene Operation Pacific Eagle. Konzipiert als Erweiterung des Kampfes gegen den Islamischen Staat (IS) und die mit ihm in Südostasien liierten Gruppierungen, hat die Operation Pacific Eagle laut einem Bericht der US-Regierung fortan zur Folge, dass US-geführte Spezialoperationen philippinische Armeeverbände auch und gerade bei ihren Einsätzen gegen die Neue Volksarmee (NPA), die Guerilla der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP), begleiten - wie bereits vor sieben Jahrzehnten. rwe

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