Demokratische Schulen

Bildungsrauschen

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Mutter aller demokratischen Schulen heißt Summerhill. Das Internat in England beruht auf drei Prinzipien: Freiwilliger Unterrichtsbesuch, Werkstattarbeit und die Selbstverwaltung, in der Kinder wie Erwachsene alle Angelegenheiten gleichberechtigt regeln. Gründer war der Pädagoge Alexander Sutherland Neill, für den »die Aufgabe eines Kindes es ist, sein eigenes Leben zu leben«. Es sei »weder das Leben, das seine ängstlichen Eltern für richtig halten, noch ein Leben, das sich nach dem Ziel eines Erziehers richtet, der glaubt, es am besten zu wissen.« (planet.wissen.de)

Schon einige Jahre vor Schulgründung versuchte Alexander S. Neill Ähnliches in Deutschland. Gemeinsam mit anderen Reformpädagogen gründete er 1920 die »Neue Schule Hellerau« bei Dresden. Aufgrund des günstigen Wechselkurs zwischen England und Deutschland wurde Neill zum Financier. Bald kam es zu Reibungen, da er sich der in Dresden vorherrschenden Linie, nach der Kinder erzogen werden sollten, nicht anschloss. Selbstbestimmtheit war für ihn oberstes Gebot. 1924 gründete er deshalb das Internat Summerhill in Lyme Regis, 1927 zog die Schule nach Leiston Suffolk um; dort befindet sie sich noch heute. Auf ihrer Website heißt es, dass Summerhill keine Utopie, sondern ein »wirklicher Platz« sei, in dem das Leben mit circa 100 Leuten nicht immer einfach sei. (summerhillschool.co.uk)

Die jetzige Schulleiterin, die Tochter von Alexander S. Neill, Zoë Readhead, widersprach in einem Interview (sz-magazin.sueddeutsche.de) der verbreiteten Ansicht, dass in Summerhill Regellosigkeit herrsche. Dem sei mitnichten so. Es gehe im Gegenteil »sehr ruhig und diszipliniert« zu. Vielmehr würden zu ihnen Kinder aus Elternhäusern kommen, die Regeln nicht kennengelernt hätten, dann habe die »Schulversammlung eine Menge zu tun«. Da bei ihnen die Kinder aus eigener Motivation lernen, brauche es auch keine modernen Lehrmethoden. »Meistens sagen die Kinder selber: ›Bitte lass’ den ganzen Schnickschnack, unterrichte uns einfach!‹« Summerhill könne eine Menge zur aktuellen Schuldiskussion beitragen, so Readhead. Ohnehin sei ihr Vater über den Begriff der antiautoritären Pädagogik nie glücklich gewesen.

Ab Ende der 1960er Jahre erlebte Summerhill eine gesellschaftliche Aufwertung. Auch anderswo gründeten sich Schulen nach ihrem Vorbild, so die Sudbury Valley School in den USA. Vergleichbare Schulen entstanden in Japan, Israel, Dänemark, Belgien, Niederlanden und Frankreich. In Deutschland ist es unter anderem die TING-Schule in Berlin, die sich am Vorbild Summerhill orientiert. Der Schulname »Ting« ist der skandinavischen Bezeichnung für eine »Volks- und Gerichtsversammlung« entlehnt. Analog gelten die »wöchentliche Schulversammlung« und das »Justizkomitee« als »tragende Säulen« der Schulgemeinschaft. (ting-schule.de). Lena Tietgen

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