Sommerfrische, gerahmt

Sieben Tage, sieben Nächte: Warum verbale Scheußlichkeiten nicht wiederholt werden sollten und etwas Abkühlung gut tun würde

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

In der nd-Redaktion ist spätestens mit den jetzt in Berlin beginnenden Ferien die Urlaubszeit angebrochen. Nach und nach verabschieden sich Kolleginnen und Kollegen für einige Wochen in das, was man früher Sommerfrische nannte. Und mit der Sommerfrische, die heute eine große Sommerhitze ist, ging das Sommerloch einher: Parlamente, Verwaltungen und Betriebe schalteten in den Pausenmodus, das politische Geschehen kochte auf Sparflamme, in geraden Jahren konzentrierte man sich eher auf eine Fußball-WM oder EM, wenn man nicht gerade träge am Strand lag.

Man gönnt den Kolleginnen und Kollegen jeden kleinen Moment des Aus- und Entspannens, des Aus- und Abschaltens. Denn das ist bitter nötig angesichts eines Klimawandels, der sich nicht nur in steigenden Temperaturen, sondern auch in einem zunehmend verrohenden politischen Diskurs, dessen Sprache einen zunehmend fassungslos zurücklässt. Damit tat sich in den letzten Tagen neben vielen anderen vor allem die CSU hervor, deren Spitzen von allen guten Geistern verlassen, so sie jene jemals ihr Eigen nennen konnten, in einen verbalen Überbietungswettbewerb mit der AfD eingetreten sind. Sprache formt Wirklichkeit und in dieser Hinsicht ist die bayerische Sechs-Prozent-Partei gerade ganz vorne mit dabei, die gesellschaftliche Realität in diesem Land immer weiter Richtung Unmenschlichkeit zu kippen. Sprache formt Wirklichkeit, deshalb ist es an dieser Stelle auch geboten, all die verbalen Scheußlichkeiten eben nicht zu wiederholen. Denn auch wenn man sie in einen anderen Kontext setzt - die Worte bleiben haften und nach und nach wird aus Empörung über sie Gewöhnung, aus Gewohnheit Normalität. Und nein, es ist darf nicht normal werden, flüchtende Menschen als »Urlauber« oder ähnlich zu bezeichnen

Schwer ist dem zu begegnen und beizukommen, denn vermeintlich vernünftige Wege gehen fehl. In ihrem Buch »Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet - und daraus Politik macht« hat die deutsche Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling herausgearbeitet, dass politisches Denken eben nicht bewusst, rational und objektiv abläuft. Sie setzt dagegen das Konzept der »Frames« (dt. Rahmen, Raster): der Prozess einer Einbettung von Ereignissen und Themen in Deutungsraster. Informationen werden selektiert und strukturiert aufbereitet, sodass eine bestimmte Problemdefinition, Ursachenzuschreibung, moralische Bewertung und/oder Handlungsempfehlung in der jeweiligen Thematik betont wird. Und das findet laut Wehling zu 98 Prozent unbewusst statt. So wird auch die erfolgreiche Platzierung rechter Schlagworte im politischen Diskurs erklärbar, beim dem nun auch die CSU kräftig mitmischt. Ein wenig Sommerfrische für den Kopf würde guttun.

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