Selbstlose Befreiung der venezolanischen Ölquellen

Sheila Mysorekar über Trumps aggressive Politik in Lateinamerika

Ein Kampfjet des Typs F 18 an Bord des Flugzeugträger USS Gerald R. Ford
Ein Kampfjet des Typs F 18 an Bord des Flugzeugträger USS Gerald R. Ford

Interessant, wie viele Synonyme es für das Wort Invasion gibt, die ich so gar nicht auf dem Schirm hatte, »Regimewechsel« beispielsweise. »Regimewechsel« hört sich friedlich und irgendwie vernünftig an, so wie der Wechsel von Herbst zu Winter; Jahreszeiten wechseln ja auch, also alles prima. Mit dem Unterschied, dass Jahreszeiten von allein wechseln, da muss gar nichts bombardiert werden, keine Fliegerangriffe und Bodentruppen oder so.

Das hingegen ist nämlich notwendig, wenn es um andere Länder geht und deren Regimes oder Regierungen, die halt nicht von allein wechseln, und wo man dann nachhelfen muss. Mit einer Militärinvasion. Nur braucht man das gar nicht so zu nennen, weil es ja letztendlich nur um den Regimewechsel geht. Und die Invasion ist lediglich das Mittel zum Zweck, also nicht wirklich erwähnenswert. So wie eine Brünette, die zum Friseur geht, um zur Blondine zu werden – da zählt auch nur das Ergebnis und nicht, wie sie dahin gekommen ist.

Das ZDF nennt dies zumindest »erzwungenen Machtwechsel«, womit wir der Sache schon näherkommen. Aber das Wort Invasion ist wohl zu heftig: Wie üblich, drücken sich deutsche Medien windelweich aus, so etwa die »Tagesschau«, die auf irgendwelche Kritiker hinweist, anstatt selbst eine Einordnung vorzunehmen.

Sheila Mysorekar

Sheila Mysorekar ist Vorsitzende der Neuen Deutschen Organisationen, einem Netzwerk postmigrantischer Organisationen. Für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Schwarz auf Weiß«. Darin übt sie Medienkritik zu aktuellen Debatten in einer Einwanderungsgesellschaft.

Die Einleitung »Kritiker sagen« stellt man als Disclaimer voran, wenn ein Journalist bzw. Journalistin nicht die Eier bzw. die Eierstöcke hat, um klar zu sagen, worum es sich handelt: zum Beispiel um Mord, so im Fall der Beschießung von Fischerbooten in der Karibik. Auch Juristen sehen das so. Übrigens auch die Familien der Fischer, und bestimmt auch die Fischer selbst, wenn sie nicht jetzt schon tot wären. Auch ärgerlich, dass man sterben muss, nur weil US-Verteidigungsminister – sorry, Kriegsminister – Pete Hegseth zeigen möchte, dass er ein Alpha-Male ist. Das macht man am besten, indem man als größte Armee der Welt siegreich den Krieg gegen Fischerboote in der Karibik führt.

Hilfreich für den Kontext ist auch ein kleiner historischer Ausflug, nämlich in die Geschichte der US-amerikanischen Militärinvasionen in ihrem »Hinterhof«, wie die USA die lateinamerikanischen Länder betrachtet. Nur mal so als Beispiel Nicaragua, wo die USA 1853, 1854, 1909, 1912-1933 einmarschierten und das Land teilweise jahrelang besetzt hielten. Panama: 1903, 1914, und 1989. Haiti: 1915-1934, 1994-1995, und 2004. Grenada 1983. Oft war es keine offene Militärintervention, sondern die CIA sorgte mit verdeckten Operationen für den gewünschten »Regimewechsel«, zum Beispiel 1973 in Chile, als der demokratisch gewählte Präsident Salvador Allende gestürzt und mittels Militärputschs der Diktator Augusto Pinochet eingesetzt wurde.

Nun hat US-Präsident Donald Trump angekündigt, auch venezolanische Ziele an Land anzugreifen. Es geht – so behauptet die US-Regierung – um den Kampf gegen Drogen. Venezuela ist jedoch weder Produzent noch Transitland für Fentanyl, was das größte Drogenproblem in den USA ist. Egal, irgendwas mit Drogen machen die bestimmt.

Die Situation ist explosiv; alle Indikatoren weisen darauf hin, dass eine Militäraktion zeitnah bevorsteht. Alle großen Fluglinien haben Flüge nach Venezuela gestoppt. Die »Tagesschau« zitiert die US-Luftfahrtbehörde, dass der Luftraum zu unsicher sei wegen der »sich verschlechternden Sicherheitslage«. Tja, aber warum ist die Lage bloß so unsicher?

Momentan sind zehn Prozent der gesamten US-Navy in der Karibik zusammengezogen, darunter Lenkwaffenzerstörer, ein atomgetriebenes U-Boot und zwei amphibische Angriffsschiffe. Diese Streitmacht wurde gerade durch die Ankunft der USS Gerald R. Ford verstärkt – des größten Flugzeugträgers der Welt –, an der Spitze einer Marine-Kampfgruppe mit acht Marineschiffen, plus Kampfbomber, Kampfjets, Kampfdrohnen.

Etwa 15 000 US-Soldaten sind jetzt laut CNN in der Region im Einsatz, so viele wie seit der US-Invasion in Panama 1989 nicht mehr. Dem Investigativ-Medium »The Intercept« liegen Informationen vor, wonach die US-Militärpräsenz in der Karibik bis »mindestens 2028« geplant sei.

Selbstverständlich all dieser Aufwand nur für den Kampf gegen »Narco-Terroristen«.

Aber wieso plappern deutsche Medien diese Darstellung des US-»Kriegs«ministeriums einfach nach? Der Bayrische Rundfunk nennt dies einen »Konflikt« zwischen den USA und Venezuela, ohne den kleinsten Hinweis auf US-amerikanische Interessen. Zu anstrengend, selbst nachzudenken, weswegen Venezuela buchstäblich auf der Abschussliste steht? Oder war Google gerade kaputt?

Ich hab’s für euch gegoogelt, liebe Kolleg*innen: Venezuela hat die größten Ölreserven weltweit. Mehr als Saudi-Arabien. Und nun sind noch weitere riesige Ölfelder entdeckt worden, wie die Deutsche Welle berichtet, mit der erfreulich eindeutigen Überschrift »Wettlauf um karibisches Öl«.

Nicht so im »Handelsblatt«. Da werden die abstrusesten Ausreden unkritisch nacherzählt, wie zum Beispiel, dass zur Unterbindung des Drogenhandels »Druck auf Venezuela« aufgebaut würde. Keine kritische Distanz oder Einordnung. Seid ihr eine Außenstelle des Weißen Hauses?

Das erinnert mich an einen Artikel der US-amerikanischen Satire-Website »The Onion« von 2003, in Bezug auf die Irak-Invasion: »137 irakische Ölquellen für die Demokratie befreit.« So könnte man das doch auch nennen: Nun werden die venezolanischen Ölquellen selbstlos demokratisiert. Danke, Trump!

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -