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Das Ende der Republik
Präsidialsystem tritt in der Türkei in Kraft / Weitere Repression gegen vermeintliche Oppositionelle
Berlin. Recep Tayyip Erdogan ist am Montag zu seiner zweiten Amtszeit als Präsident der Türkei vereidigt worden. Erdogan wird durch das umstrittene neue Präsidialsystem über mehr Macht verfügen als alle seine Vorgänger der vergangenen Jahrzehnte.
Der Präsident wird im neuen System zum Chef der Exekutive, das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft. Künftig leitet der Präsident selbst das Kabinett und wählt die Minister aus, ohne dabei der Zustimmung des Parlaments zu bedürfen.
Das Kabinett stellte Erdogan nach seiner Vereidigung vor. Neuer Finanzminister wird sein Schwiegersohn Berat Albayrak. Neuer Verteidigungsminister wird Generalstabschef Hulusi Akar. Mevlüt Cavusoglu bleibt Außenminister. Der frühere Chef der Katastrophenschutzbehörde, Fuat Oktay, wird einziger Stellvertreter des Präsidenten.
Eine der bedeutendsten Veränderungen ist zudem die Eingliederung des Ministeriums für EU-Angelegenheiten in das Außenministerium. Es wird zudem erwartet, dass der bisherige Ministerpräsident Binali Yildirim Parlamentspräsident wird.
Die Ernennung von Albayrak zum Finanzminister kam überraschend. Die türkische Lira verlor nach der Bekanntgabe der Postenbesetzung 3,5 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar. Albayrak ist der Ehemann von Erdogans älterer Tochter Esra und ehemaliger Energieminister.
Das Parlament verliert das Recht, Minister ihres Amtes zu entheben, stattdessen kann es sie künftig nur noch schriftlich befragen - nicht aber den Präsidenten. Im Fall von kriminellen Verfehlungen kann es den Präsidenten absetzen, doch sind die Hürden für ein Amtsenthebungsverfahren sehr hoch. Seit der Annahme der Verfassungsreform ernennt der Präsident sechs der 13 Mitglieder des Rats der Richter und Staatsanwälte, der über die Besetzung wichtiger Justizämter entscheidet. Die Anderen wählt das Parlament aus - wo der Präsident aber Mehrheitsführer ist.
Das neue türkische Präsidialsystem war bei einem Volksentscheid im vergangenen Jahr beschlossen worden. In dem neuen System ist der Staatschef zugleich Regierungschef und hat die gesamte Exekutivgewalt inne. Erdogan kann dann Präsidialdekrete auch ohne die Sonderrechte eines Ausnahmezustands erlassen, der in der Türkei seit dem Putschversuch vor zwei Jahren herrscht.
Kurz vor Erdogans Vereidigung wurden per Dekret weitere mehr als 18.500 Staatsbedienstete entlassen. Ihnen werden »Verbindungen zu Terrororganisationen« vorgeworfen. Agenturen/nd
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