Identität bleibt ungeklärt

Polizei sucht per »Schlüsseltest« die Wohnung des unbekannten Koma-Patienten

  • Ulrike von Leszczynski
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist der Mann, den niemand vermisst. Seit vier Monaten schon. Das gab es bisher noch nicht in der langen Geschichte der Berliner Charité. Niemand weiß, wer dieser Patient ist, der noch immer im Koma liegt. Graues Haar, buschige Augenbrauen und eine sportliche Figur für einen Senior zwischen 60 und 70. Sie haben ihn auf der Intensivstation nun in ein Doppelzimmer verlegt. Damit er nicht zu einsam ist. Die Stille um ihn bleibt. Die Klinik wünscht keinen Besuch, keine Gespräche mit Ärzten oder Pflegern.

Genauso rätselhaft wie für die Charité ist dieser Fall für die Polizei. »So etwas gab es in Berlin noch nicht«, sagt eine Sprecherin. »Das ist auch für unsere Vermisstenstelle eine ganz neue Situation.« Es sei das erste Mal, dass es nicht den kleinsten Hinweis auf einen Menschen gebe. Und keine Vermisstenanzeige. »Es gibt überhaupt nichts.«

Am 13. März war der Unbekannte im Volkspark Wilmersdorf beim Joggen zusammengebrochen. Er schlug unglücklich mit dem Kopf auf einen Stein auf. Passanten fanden ihn bereits bewusstlos. Seitdem sucht die Kripo nach einem Anhaltspunkt, wer dieser Mann sein könnte. Die Polizei hat mehrfach Fotos veröffentlicht. Beim zweiten Mal hat sie ihm seine Zahnprothese einsetzen lassen, damit man ihn vielleicht besser erkennt.

Die Polizei stellte auch Fotos zweier Schlüssel ins Netz - das einzige, was der Jogger außer ein paar Euro und etwas Traubenzucker bei sich trug. Einer der Schlüssel dürfte zu einem Fahrradschloss gehören, der andere ist vermutlich ein kombinierter Haus- und Wohnungsschlüssel. Davon wurden neun Kopien gemacht. Auf beiden Schlüsseln sind Firmennamen eingestanzt, aber keine Sicherheitsnummern, die zu registrierten Schlössern führen könnten. Auch das ist selten - und fatal für die Arbeit der Kripo. Denn damit gibt es keine Spur zu einer Adresse.

Am Dienstag prüfte die Polizei, ob die bei dem Mann gefundenen Schlüssel zu Türen von Häusern in der Umgebung des Volksparks in Wilmersdorf passen. Zehn Teams von Polizeischülern waren dabei jeweils mit einem Schlüssel unterwegs, wie ein Sprecher sagte. Mehrere Stunden sollte die Aktion dauern.

Die Nachwuchspolizisten liefen Straße für Straße ab und probierten die Schlösser der zahlreichen Altbauten in den Straßen um den Park. Schwierig ist die Suche, weil der Volkspark im Südwesten der Stadt sehr langgezogen ist und zahlreiche dicht bebaute Straßen am Park entlang und in der Nähe verlaufen. Jogger kommen dort auch aus ein oder zwei Kilometer entfernten Gegenden hin, so dass ein größeres Gebiet als Wohnort des Mannes in Frage kommt.

Die Vermisstenstelle der Polizei hatte neben der Suche mit Fotos des Mannes im Internet bereits Suchaufrufe aufgehängt, Fingerabdrücke und DNA mit Datenbanken verglichen und in der Umgebung des Parks Anwohner befragt. Außerdem nahm die Behörde nach eigenen Angaben Kontakt zu Krankenhäusern und Ärzten auf, weil der Jogger Diabetes hat.

Die gefundenen Schlüssel wurden mit Tausenden Schlüsseln der Stadtreinigung, die Zugang zu den Häusern in Wilmersdorf hat, verglichen. Zudem fragte die Polizei bei den Veranstaltern des Halbmarathons im Frühjahr nach, ob ein Mann in der Altersklasse angemeldet war, aber nicht teilgenommen habe. Bis zum Nachmittag verlief die Suchaktion, wie auch alle bisherigen Versuche, ohne Erfolg. Auf Listen und Stadtplänen wurden die Häuser abgehakt, am Mittwoch soll die Suche weitergehen. dpa/nd

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