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Linker Flügel auf dem Marsch

Kritik an Präsident Macrons Sozialpolitik wird in Frankreich selbst im eigenen Lager immer stärker

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Kritiker bescheinigen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, ein gestörtes Verhältnis zum Problem der sozialen Ungleichheit und zur Armut zu haben. In seiner Rede Anfang der Woche im Schloss Versailles vor dem »Kongress«, der feierlichen gemeinsamen Sitzung beider Kammern des Parlaments, hat er die Themen nur gestreift. Dabei war eigentlich für diese Woche geplant, ein Programm für den Kampf gegen die Armut vorzulegen. Das wurde allerdings kurz vor dem Auftritt in Versailles ohne überzeugende Begründung auf den Herbst verschoben.

Kritik an seiner Sozialpolitik, die er zugunsten der Hilfe für Unternehmer und Besserverdienende vernachlässige, kommt nicht nur von der linken Opposition, sondern auch aus dem eigenen Lager. In seiner Bewegung La République en marche, die heute die mit Abstand stärkste Fraktion im Parlament stellt und im Prinzip seine Politik und die seiner Regierung mitträgt, hat sich ein linker Flügel herausgebildet. Der hat zwar noch nicht die Züge der sozialistischen »Frondeurs« (Aufsässigen) aus der Zeit seines Vorgängers François Hollande angenommen, die aus Protest gegen die ihrer Meinung nach zu wenig von linken Idealen getragene Politik gelegentlich sogar für Misstrauensanträge gegen die eigene Regierung stimmten, aber schon des Aufkeimen einer linken Opposition im eigenen Lager bereitet Macron Sorgen.

Mehr als 30 Abgeordnete bilden eine lose Gruppe zum Thema Sozialpolitik, die ihrer Meinung nach bei Macron zu kurz kommt. Sie erinnern ihn an die vollmundigen Versprechen im Präsidentschaftswahlkampf und fordern, wie es die Abgeordnete Brigitte Bourguignon anschaulich formulierte, »eine Stärkung des sozialen Beins, um zu einer ausgeglichenen Politik zu kommen«. Drei namhafte Wirtschaftswissenschaftler, die seinerzeit Macrons Wahlkampfprogramm mitformuliert haben, äußerten sich kürzlich in einem offenen Brief besorgt über den unsozialen »Rechtsdrall« seiner Politik und mahnten eine »Ausbalancierung« an.

Anlass zu Besorgnis sind auch Überlegungen im Wirtschafts- und Finanzministerium, die durch Indiskretionen in die Presse gelangten. Danach wird ernsthaft geprüft, wie man Ausgaben im Staatshaushalt einsparen kann, indem die verschiedenen Arten der Sozialhilfe »neu strukturiert« werden, um »effizienter« zu werden - was aber unterm Strich auf Kürzungen hinausläuft. Dazu lief im Internet sogar ein Mitschnitt eines Gesprächs im Elysée, wo Macron sagte: »Wir geben Unsummen für den Kampf gegen die Armut aus, aber nichts funktioniert und die Lage wird nicht besser.« Schließlich wurde auch noch bekannt, dass bei der bevorstehenden Verfassungsänderung der Anspruch aller Franzosen auf »Sozialversicherung« aus dem Grundgesetz gestrichen und durch den vagen Begriff »soziale Absicherung« ersetzt werden soll.

Wie schon bei zahlreichen anderen Gelegenheiten hat Emmanuel Macron auch jetzt wieder vor dem Kongress seine Überzeugung wiederholt, dass in erster Linie die Unternehmen von den vielen bürokratischen und anderen »Fesseln« und Hindernissen »befreit« werden müssen, um materielle Werte und Arbeitsplätze schaffen zu können, und dass sich daraus zwangsläufig auch Chancen und Verbesserungen für die arbeitenden Franzosen und ihre Familien ergeben. Wenn Macron von den »sozial Schwachen« spricht, meint er vor allem die etwa 20 Prozent Kinder in Frankreich, die in Armut leben und denen er durch verbesserte Schul- und Berufsausbildung die Chance geben will, aus dem durch ihre Herkunft vorbestimmten Leben auszubrechen und sozial aufzusteigen. Darauf läuft auch sein Konzept für die erwachsenen Armen hinaus, für der Präsident als bekennender Liberaler offenbar nur Achtung aufbringt, wenn sie jede sich bietende Chance ergreifen - egal um welchen Preis. Was der Staat in Arbeitsbeschaffung, Gesundheitswesen, sozialen Wohnungsbau oder Bildung investiert, dürfe nicht als »Hilfe von oben nach unten« missverstanden werden, sondern als »Angebot an unsere Mitbürger, die in Armut leben, Akteure ihres eigenen Lebens zu werden und es zu verändern«.

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