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  • Untersuchungsausschuss in Bayern

Unnachgiebig auch gegen Mieter

Ex-Ministerpräsident Seehofer verteidigt vor Untersuchungsausschuss in München Verkauf von Wohnungen

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist nicht bekannt dafür, dass er sein Licht unter den Scheffel stellt. Etwa wenn er nachrichtenwirksam die neue weißblaue Operettengrenzpolizei besucht. Oder wenn er verkündet, für die in Bayern dringendst benötigten Lufttaxis werde er fünf Millionen Euro an Forschungsgeldern zu Verfügung stellen. Doch die Umfragewerte für die CSU weisen nach unten und Söders Stern scheint gemeinsam mit dem von Bundesinnenminister Horst Seehofer zu sinken. Das liegt auch daran, dass beiden eine dumme Geschichte an der Backe klebt: Die Privatisierung von 33 000 Wohnungen aus Staatsbesitz, und das in Zeiten großer Wohnungsnot in den Städten.

An der Lothstraße in München stehen zwei Wohnblocks aus den 1960er Jahren. An beiden Gebäuden sind Arbeiter dabei, Gerüste anzubringen. Im vorderen Block stehen bereits viele Wohnungen leer, die Fensterstöcke sind herausgebrochen. Im Hof sind Baucontainer aufgestellt. An einigen Balkonen sind noch Blumenkästen und Sonnenschirme zu sehen. Am Hauseingang hängt ein Zettel vom Hauseigentümer, der »GBW«.

Gut vier Kilometer Luftlinie entfernt ist Bundesminister Horst Seehofer im bayerischen Landtag gerade dabei, dem Untersuchungsausschuss zum Verkauf der GBW-Wohnungen Rede und Antwort zu stehen. Begonnen hatte die ganze Geschichte mit dem von der CSU-Regierung zu verantwortenden Debakel um die bayerische Landesbank, die Schulden in Milliardenhöhe gemacht und nur durch einen milliardenschweren Kredit des Freistaats vor dem Bankrott gerettet wurde. Diese Finanzhilfe löste wegen Eingriffs in den freien Markt ein sogenanntes Beihilfeverfahren der EU aus. Als Folge musste sich die BayernLB auf ihr Kerngeschäft zurückziehen und die Wohnungsbaugesellschaft GBW verkaufen. Ein Verkauf an den Freistaat wäre eine Möglichkeit gewesen; Wohnungen und Mieter wären damit der Spekulation entzogen worden. Nein, das lasse die EU nicht zu, sagte 2012 der damalige Finanzminister Söder. Und verkaufte 2013 die Wohnungen an den privaten Investor Patrizia. Inzwischen mehren sich aber die Anzeichen, dass Söder nicht die ganze Wahrheit gesagt hat und der Ankauf der Wohnungen durch den Freistaat durchaus möglich gewesen wäre. So heißt es in einer an die Öffentlichkeit gelangten internen Aktennotiz, »ein ausdrückliches Verbot« habe die EU-Kommission nicht ausgesprochen. Die Opposition im bayerischen Landtag beklagte den »Verrat an den Mietern« und richtete vor kurzem einen Untersuchungsausschuss zum Verkauf der Wohnungen ein.

Vor diesem Ausschuss nun sagte am Donnerstag Horst Seehofer aus, und erwartungsgemäß wies der frühere bayerische Ministerpräsident die Kritik der Opposition am Verkauf der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft GBW zurück. Seehofer sagte vor den Abgeordneten, aus seiner Sicht sei der damalige Schritt notwendig gewesen, ansonsten hätte die Lebensfähigkeit der Landesbank auf dem Spiel gestanden. Seehofer verwies darauf, dass die Staatsregierung sich bemüht habe, den Verkauf so sozial wie möglich zu gestalten. Auch Söder soll noch vor dem Ausschuss erscheinen.

Zurück zu den Wohnungen der GBW an der Lothstraße. Die Mieter seien durch eine Sozialklausel vor Kündigungen geschützt, verlautbarte der damalige Finanzminister Söder, um auch so die Privatisierung zu rechtfertigen. Die Klausel schützt allerdings nicht vor »Modernisierungen«. Und so erhielten die Mieter der Lothstraße im April dieses Jahres ein vielseitiges Schreiben - die »Ankündigung einer Modernisierungsmaßnahme«. Und die Ankündigung von Mieterhöhungen. Zwar sollen durch energetische Baumaßnahmen die Heizkosten sinken, gleichzeitig steigt aber die Kaltmiete. So wird dann eine der 70-Quadratmeter-Wohnungen nicht mehr rund 720, sondern an die 1350 Euro an Miete kosten. Und langfristig will die GBW die Wohnungen verkaufen und Gewinn realisieren. Was bei einem privaten Investor nicht wirklich überrascht.

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