Antisozial und neoliberal

Das Wahlprogramm der AfD für Bayern steht für einen radikalen Kurs von rechts

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die AfD wird bei Umfragen für die anstehende Landtagswahl in Bayern teilweise mit 14 Prozent Stimmanteil gehandelt. Ob diese potenziellen Wähler einen Blick in das jetzt erschienene Landeswahlprogramm der Partei werfen werden, ist ungewiss. Klar aber ist, dass Arbeiter und Lohnabhängige dort viel Abstruses wiederfinden können, nur ihre eigenen Interessen nicht. Denn dieses Papier ist vor allem eins: Antisozial in dem Sinne, dass das Soziale dort fast kein Thema ist. Im Vordergrund steht der Kampf gegen Flüchtlinge und Islam. Und dann schwimmen in der AfD Wahlkampfsuppe noch ein paar neoliberale und stockkonservative Brocken daher.

Vom Umschlag her könnte man meinen, man sei bei der CSU: Auf staatstragendem Blau wird gedirndelt und gejodelt und frohe Menschen hüpfen durch blühende Landschaften. Drinnen wird ein Weltbild deutlich, das am Stammtisch wildgewordener Kleinbürger aus Hintertupfing entstanden sein könnte, garniert mit einem kräftigen Schuss Fremdenhass sowie Staats- und Kirchenferne.

Machen wir es kurz. Neben dem Gesundheitswesen nimmt die Sozialpolitik in dem 100-Seiten-Papier gerade mal drei Seiten ein und hier geht es vor allem um die Rente in Bayern und um Vertriebenenpolitik. Ganz hinten, auf der Seite 99 stehen dann noch einige Sätze zur Integration von Langzeitarbeitslosen, um sich dann in den folgenden sieben Sätzen gleichzeitig von der Integration Geflüchteter zu distanzieren.

Wo der Schwerpunkt der AfD-Politik liegt, wird dagegen auf den mindestens dreizehn Seiten deutlich, die sich vorne im Programm mit einschlägigen Themen beschäftigen: Da geht es um Abschiebung und Ausweisung von Flüchtlingen, um die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, um die Rückkehr zum Abstammungsprinzip (ein Kind musste bis 2000 mindestens ein deutsches Elternteil haben, um als deutsch zu gelten) und die Auflösung der Härtefallkommission. Diese Härtefallkommission ermöglicht es, ausnahmsweise eine Aufenthaltserlaubnis an Ausländer zu erteilen, die eigentlich zur Ausreise verpflichtet sind. Dazu müssen dringende persönliche oder humanitäre Gründe vorliegen, die den weiteren Aufenthalt in Deutschland rechtfertigen. So kann bei besonderen Einzelschicksalen und in humanitären Ausnahmefällen geholfen werden, für die das Aufenthaltsgesetz sonst keine angemessene Lösung bereithält. Laut der AfD soll also für Flüchtlinge keine Humanität mehr gelten. Und kein Pardon auch für Muslime. Deren Glaubensausübung soll eingeschränkt werden, denn im Islam sieht die AfD eine »Gefährdung des inneren Friedens«.

Hat man so schon mal einige der zentralen Werte, auf die man sich angeblich beruft, über Bord geworfen, fordert die AfD im von katholischen und evangelischen Milieus geprägten Bayern auch eine Trennung von Staat und Kirche. Und selbstverständlich vergisst man dabei nicht zu erwähnen, dass »Kirchenasyl zu unterbinden« und gar strafrechtlich zu verfolgen sei. Im Abschaffen ist die AfD überhaupt groß, zum Beispiel bei den Rundfunkgebühren, auch die sollen weg. Ebenso wie die Erbschaftssteuer. Zwar gibt die AfD zu, dass diese ohnehin marginal ist, betrachtet man die vererbten Vermögenswerte, aber sei sie eben »leistungsfeindlich«. Abgeschafft werden soll auch die Hälfte der Landtagsabgeordneten, diese sollen zudem nur noch Aufwandsentschädigungen statt Diäten erhalten. Auch die Wählbarkeit der Abgeordneten soll auf zwei Legislaturperioden beschränkt werden.

Das Herz der bayerischen AfD gehört dem Mittelstand, vor allen den Selbstständigen und den Familienbetrieben. Für sie sei es notwendig, ganz neoliberal, den Staat zu »verschlanken«. Der Selbstständige sei in Bayern bedroht durch einen »sinnfreien Klassenkampf«, das wirtschaftliche Rückgrat des Sozialstaates werde zerstört durch die »Entmutigung« heutiger und potenzieller Unternehmer.

In der Bildungspolitik gibt sich die AfD stockkonservativ wie kaum eine andere Partei, es fehlt quasi nur noch die Wiedereinführung der Prügelstrafe. Das dreigliedrige Schulsystem ist gut, Ganztagesschulen und Inklusion schlecht. Sportunterricht soll mehr gefördert, beim Abitur die Daumenschrauben angezogen werden.

Es gibt noch ein paar Schmankerl im Wahlprogramm der AfD: Irgendwie hat wohl ein Heilpraktiker mitgeschrieben, denn für diese Berufsgruppe soll künftig auch die gesetzliche Krankenkasse zahlen. Auch ein paar Wirte müssen mit dabei gewesen sein, denn die AfD fordert eine ermäßigte Umsatzsteuer für die Gastronomie, um deren Nöte und Sorgen sich die »Altparteien« lange nicht gekümmert hätten. Ganz in der Nähe der »Reichsbürger« ist die Partei mit der Forderung, das Waffengesetz nicht zu verschärfen.

Das Wahlprogramm der AfD stellt so in vielen Teilen einen radikalen Bruch der bestehenden Ordnung von rechts dar. Es ist darauf angelegt, Bayern in ein Bundesland zu verwandeln, in dem Rechtspopulismus, Fremdenfeindlichkeit und Neoliberalismus eine enge Verbindung eingehen. Das Programm trägt die Handschrift radikalisierter Klein- und Wutbürger, die sozialpolitischen Interessen von Arbeitern und anderen Lohnabhängigen kommen so gut wie gar nicht vor.

Gelingt der AfD mit diesem Wahlprogramm der Einzug in den bayerischen Landtag, stünde dies für einen massiven Rechtsruck des politischen Koordinatensystems. Zwar hatten auch die Republikaner in den 1980er Jahren mit ihrem Vorsitzenden Franz Schönhuber in Bayern Zulauf und erreichten bei der Europawahl 1989 immerhin 14,6 Prozent der Stimmen, in den Landtag aber kam damals die Rechtsaußenpartei nicht, sie scheiterte 1990 mit 4,9 Prozent an der Fünf-Prozent-Klausel.

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