Krimi in Ulan Bator

Entführungsversuch des türkischen Geheimdienstes

  • Lesedauer: 3 Min.

Istanbul. In der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator hat sich in der Nacht zum Samstag ein politischer Krimi abgespielt. Medien und Zeugen berichteten, der türkische Geheimdienst habe versucht, einen angeblichen Staatsfeind zu entführen, um ihn per Flugzeug in die Türkei zurückzuverfrachten. Nach türkischen Medienberichten soll der Mann ein hochrangiger Anhänger des Predigers Fethullah Gülen sein, den Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht. Es handele sich um den Direktor mehrerer mit der Gülen-Bewegung verbundener türkischer Schulen, hieß es in einem Bericht der Istanbuler Zeitung »Sözcü« vom Freitag.

Die Türkei hat seit dem Putschversuch Zehntausende mutmaßliche Gülen-Anhänger festnehmen lassen - immer wieder auch im Ausland. Berichte gab es unter anderem und zuletzt vergangene Woche aus der Ukraine, Kosovo, Aserbaidshan, Gabun, Pakistan und Afghanistan.

Die Geschichte habe mit der Entführung des Mannes vor seinem Haus in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator begonnen, sagte ein deutscher Staatsbürger und Freund des Mannes vor Ort gegenüber dpa. Passanten hätten mit dem Handy gefilmt, wie er von etwa fünf Männern auf der Straße überwältigt und in einen Kleinbus gezerrt worden sei. Sie seien sofort zur Polizei gegangen und hätten das Video gezeigt. Seine Frau habe ihn auf dem Film erkannt. Sofort sei die Fahndung ausgelöst worden sei.

Wie und wo die mongolische Polizei den Mann fand, blieb unklar. Am Abend wurde er von Freunden jedoch auf einer Polizeistation ausfindig gemacht und am Samstagmorgen dann unverletzt nach Hause gebracht. »Er ist heilfroh und glücklich«, sagte der Freund, der ihn nach der Heimkehr getroffen hat. Er stehe nun unter Polizeischutz. Das türkische Flugzeug, das am Flughafen gewartet hatte, verließ die Mongolei am Abend ohne den Schuldirektor.

Ob all das mit Wissen der mongolischen Behörden geschah, ist unklar. Dem »Sözcü«-Bericht zufolge hat der türkische Geheimdienst den Mann in Zusammenarbeit mit dem mongolischen Geheimdienst fest setzen wollen. Einem anderem Bericht zufolge wussten die mongolischen Behörden von nichts und hätten erst auf die große öffentliche Aufregung hin die erzwungene Ausführung des Mannes verhindert. Sicher ist, dass es ähnliche Vorfälle nach diesem Muster gegeben haben muss: Zuerst gab es einen Staatsbesuch oder anderen hohen diplomatischen Austausch, kurz darauf wurden türkische Staatsbürger abgeschoben oder vom Geheimdienst ausgeflogen.

Der deutsche Mongolei-Experte Julian Dierkes sagte gegenüber dpa am Samstag, der Sohn des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan sei laut einem Facebook-Eintrag der türkischen Botschaft in Ulan Bator im Juli zu Besuch gewesen. »In der Mongolei wird nun die große Frage sein: Wer wusste von der Sache oder hat womöglich mit den türkischen Sicherheitsdiensten kooperiert?« dpa/nd

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