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Dämpfer für die Pestizidlobby

Gericht in Brasilien stoppt vorübergehend den Einsatz von Glyphosat

  • Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 3 Min.

Brasilien ist Vizeweltmeister im Anbau von Glyphosat-resistentem Gensoja und seit Jahren Weltmeister im Einsatz von Pestiziden - mit katastrophalen Folgen. Laut Daten des brasilianischen Gesundheitsministeriums starben zwischen 2007 und 2017 mehr als 1800 Brasilianer direkt in Folge des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Nun hat ein Gericht in Brasilia der Pestizid- und Gentechniklobby erstmals einen Dämpfer versetzt. Die Zulassung von neuen Pflanzenschutzmitteln mit Glyphosat und sieben weiteren möglicherweise gesundheitsschädlichen Wirkstoffen wurde bis auf weiteres verboten. Bestehende Genehmigungen sollen in den kommenden 30 Tagen aufgehoben werden. Die Maßnahme bleibe in Kraft, bis die für die Zulassung zuständige Gesundheitsbehörde ANVISA die Giftigkeit der beanstandeten Pestizide neu bewertet hat.

Bundesrichterin Luciana Raquel Tolentino de Moura folgt damit einer bereits vor vier Jahren eingereichten Klage der Bundesstaatsanwaltschaft gegen die Zulassungsbehörde ANVISA und den brasilianischen Staat. Aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sollten die in Brasilien verwendeten Pestizidwirkstoffe Methylparathion, Lactofen, Phorat, Carbofuran, Abamectin, Thiram, Paraquat und allen voran Glyphosat neu bewertet und gegebenenfalls verboten werden.

Glyphosat ist Hauptwirkstoff des von der Bayer-Tochter Monsanto hergestellten Totalunkrautvernichtungsmittels Roundup. In Brasilien wird es in großen Mengen beim Anbau gentechnisch veränderter Soja-, Mais- und Baumwollsorten eingesetzt.

«Glyphosat ist eines der Hauptherbizide, das auf brasilianischen Sojaplantagen verwendet wird. Die Weltgesundheitsorganisation WHO wie auch der brasilianische Verband für Volksgesundheit haben diesen Wirkstoff als wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen eingestuft», so die Bundesrichterin in ihrer Urteilsbegründung. Auch das Nationale Krebsinstitut José Alencar Gomes da Silva bestätige die Gesundheitsschädlichkeit von Glyphosat, das zu einer Erhöhung der Sterblichkeitsrate beigetragen habe.

Agrobusiness-Vertreter indes kritisieren die richterliche Entscheidung, die «einen ideologischen Charakter» habe und deshalb aufgehoben werden müsse. Das Gericht wisse nicht, wie das Agrobusiness funktioniere, äußerte sich Luiz Carlos Correa Carvalho, Präsident der brasilianischen Vereinigung des Agrobusiness (Associação Brasileira do Agronegócio - ABAG) gegenüber den Medien. Ohne diese Pestizide könne keine Landwirtschaft betrieben werden«, formulierte es noch dramatischer ABAG-Direktor Luiz Lourenco.

Sowohl die Vereinigung der Pflanzenschutzmittelindustrie als auch der brasilianische Verband der Sojaproduzenten (Aprosoja) kündigten inzwischen an, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Ohne Glyphosat werde es in Brasilien keine Sojaernte 2018/19 geben, warnte der Verband.

Mindestens 96 Prozent der brasilianischen Sojaproduktion seien gegenüber Glyphosat tolerante Sorten, so Aprosoja-Direktor Fabrício Rosa. Ein Entzug der Zulassung für das Totalherbizid würde den Sojaanbau in Brasilien unmöglich machen und auch negative Auswirkungen auf den Mais- und Baumwollanbau zur Folge haben. Das könnte die Absicht durchkreuzen, Brasiliens Stellung als größter Sojalieferant und zweitgrößter Maisexporteur auf dem Weltmarkt in den nächsten zehn Jahren noch auszubauen. »Wenn sie uns das Glyphosat nehmen, dann müssen wir etwas Giftigeres verwenden«, so Fabrício Rosa. »Die Richterin rührte an etwas, das sie nicht versteht.«

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