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Unbekömmlicher Kabelsalat

Herunterhängende Stromleitungen bedrohen Gesundheit und Leben in Thailand

  • Michael Lenz, Bangkok
  • Lesedauer: 4 Min.

Thailand hat in den letzten Wochen durch das Schicksal und die wundersame Rettung der Jugendfußballmannschaft aus einer Höhle im Norden des Landes für Schlagzeilen gesorgt. Untergegangen sind dabei andere tödliche Vorfälle. Bei einem Fährunglück vor Phuket ertranken mehr als 50 Touristen. Auf Koh Tao kam ein Deutscher unter verdächtigen Umständen ums Leben. Wegen der Häufung verdächtiger Todesfälle und Vergewaltigungen wird die Ferieninsel im Golf von Siam von internationalen Medien als »Todesinsel« tituliert.

Eine Gefahr bedroht Gesundheit und Leben von Touristen und Einheimischen gleichermaßen im alltäglichen Leben: herunterhängende Kabel. Stromleitungen, Telefonkabel, Glasfaserkabel werden in Thailand nicht unter die Erde gelegt, sondern spannen sich sehr locker in armdicken Bündeln von Mast zu Mast. Das eine oder andere Kabel löst sich auch schon mal aus dem Knäuel und baumelt über Straßen und Gehwegen.

In Samut Prakan fuhren Jiak Thipsumontha, 69, seine 59 Jahre alte Gattin Sujitra Tojaeng Mitte Juli auf ihrem Moped zum Markt, als sich ihr Gefährt in einer herunterhängenden Stromleitung verfing und umstürzte. Jiak wurde mit einer gebrochenen Augenhöhle, Verletzungen an Nase und Mund sowie allerlei Abschürfungen ins Krankenhaus eingeliefert. In Khon Kaen wurde im April Maneenetr Charoenngao durch ein herunterhängendes Glasfaserkabel buchstäblich enthauptet. Auch die 40 Jahre alte Frau war auf einem Moped unterwegs.

Grausige Geschichten über Unfälle, Verletzungen, Todesfälle durch lose herunterhängende, manchmal gar stromführende Kabel sind Alltag. Das Ritual nach solchen Unfällen ist immer das Gleiche: die Familien der Opfer sind empört, verlangen die Bestrafung der Schuldigen. Polizei, Stadtverwaltungen, Politiker, Stromversorger und Telekomfirmen schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

Ein ums andere Mal hat die Stadtverwaltung von Bangkok seit Jahren immer wieder hoch und heilig geschworen, den Kabelsalat unter die Erde zu bringen, ohne dass etwas passierte. Jetzt aber will die regierende Militärjunta in Bangkok aufräumen. Straßenküchen werden vertrieben und Kabel unterirdisch verlegt. Letzteres ist nach Meinung vieler Bangkoker allerdings MicrosoftGründer Bill Gates zu verdanken, der bei einem Besuch in der Stadt Fotos des Kabelsalats schoss und auf Facebook postete. Die Fotos gingen um die Welt und eine Woche nach dem Posting verkündete die Stadtverwaltung, jetzt wirklich die Kabel unterirdisch verlegen zu wollen.

Den Anfang machen die Straßen der Besserverdienenden und Touristen. So macht die Wireless Road - zu Deutsch etwa kabelfreie Straße - mit ihren Fünfsternehotels ihrem Namen alle Ehre, wenn die Kabel unteririsch verlaufen. Die Straße erhielt vor langer Zeit ihren Namen, weil sie Standort des ersten thailändischen Radiosenders war.

Auch in Teilen der Sukhumvit-Straße werden neuerdings Kabel verbuddelt. Die sechsspurige Sukhumvit ist eine Hauptverkehrsstraße Bangkoks. Entlang dieser Magistrale reihen sich luxuriöse Hotels, gigantische Bürotürme, hochpreisige Apartmentblocks und prächtige Shopping Malls, aber auch die berühmt-berüchtigten Rotlichtviertel Nana und Soi Cowboy. Bis zum Jahr 2020 sollen zunächst in 39 Straßen die Kabel unterirdisch verlegt werden. Für die Metropole mit elf Millionen Einwohnern und Tausenden Straßen und Gassen ist das immerhin ein vielversprechender Anfang.

Der Kabelwirrwarr in luftiger Höhe ist nicht nur immer wieder durch lose schwingende Kabel eine Gefahr für Leib und Leben der Menschen. Sonne, Regen und Wind schädigen die Kabel, was zu Stromausfällen und gestörten Internetverbindungen führt.

Nach den jüngsten folgenschweren Unfällen mit herunterhängenden Kabeln droht die National Broadcasting and Telecommunications Commission jetzt den Unternehmen harte Strafen an, wenn sie bei Installation und Wartung ihrer an Strommasten befestigten Kabel nicht die vereinbarten Standards einhalten.

Die Meldungen über gefährlich herunterhängende Kabel reißen nicht ab. Im Mai dieses Jahres wurde in Khon Khan die 58-jährige Wanida Jaingern durch ein Stunden zuvor nachlässig über die Straße gespanntes Elektrokabel schwer verletzt. In der ersten Julihälfte brannte an einem Betonstrommast an der Kreuzung Asok-Phetchaburi Road - einem neuralgischen Verkehrsknotenpunkt - der Kabelsalat lichterloh. Verkehrsstau und Stromausfall waren die Folge. Menschen kamen dieses Mal glücklicherweise nicht zu Schaden.

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